Luftangriff in Afghanistan US-General bestätigt zivile Opfer

Kundus (RPO). Der Nato-Angriff auf einen Tankwagen in Afghanistan schlägt immer höhere Wellen: Jetzt bestätigte ein US-General, dass auch Zivilisten in Mitleidenschaft gezogen wurden. Nach Angaben von Verteidigungsminister Jung hingegen sollen nur Terroristen getötet worden sein. Unterdessen kritisieren die EU-Partner das Vorgehen der Deutschen. Gegen den Oberst, der den Befehl zum Angriff gab, werden nun Ermittlungen geprüft.

 Oberst Georg Klein (l.), Kommandeur der deutschen Truppen in Kabul, und Nato-Kommandeur General Stanley McChrystal (M.) besuchen den Ort des Luftangriffs.

Oberst Georg Klein (l.), Kommandeur der deutschen Truppen in Kabul, und Nato-Kommandeur General Stanley McChrystal (M.) besuchen den Ort des Luftangriffs.

Foto: AP, AP

Der Oberkommandierende der US- und Nato-Truppen in Afghanistan hat am Samstag zivile Verluste bei dem jüngsten Luftangriff in der Nähe von Kundus bestätigt. "Für mich ist es klar, dass es einige zivile Opfer gab", sagte US-General Stanley McChrystal. Am Samstag sprach er bei einer Pressekonferenz von einem "ernsten Vorfall", der zeigen werde, ob die Nato zu Transparenz bereit. Der Vorfall sei auch ein Test für die Bereitschaft der Nato zu zeigen, dass sie zum Schutz des afghanischen Volks im Land sei. "Es ist mir sehr wichtig, dass wir das wahr machen."

McChrystal war am Samstag an den Ort des Luftangriffs gereist, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Unter anderem besuchte er ein Krankenhaus, in das Verletzte eingeliefert worden waren. Dort sprach er mit einem zehnjährigen Jungen, der schwere Brandwunden hatte. Nach allem, was er vor Ort und im Krankenhaus gesehen habe, sei es eindeutig, dass Zivilpersonen zu Schaden gekommen seien, sagte der General.

Auf die Frage, ob der Vorfall von der Internationalen Schutztruppe (ISAF) untersucht werde, sagte McChrystal: "Es wird eine Untersuchung geben. Meine Einschätzung ist, dass es eine ISAF-Untersuchung geben wird, und möglicherweise werden auch andere Nachforschungen anstellen."

Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) wies derweil Vorwürfe zurück, bei dem Luftangriff seien unschuldige Zivilisten getötet worden. "Nach allen mir zurzeit vorliegenden Informationen sind bei dem durch ein US-Flugzeug durchgeführten Einsatz ausschließlich terroristische Taliban getötet worden", sagte Jung der "Bild am Sonntag".

Kritik aus der EU

In der Europäischen Union ist scharfe Kritik an dem von der Bundeswehr angeordneten Luftangriff in Afghanistan laut geworden. EU-Partnerländer wie Frankreich, Italien und Luxemburg verurteilten den NATO-Angriff mit mindestens 50 Toten am Samstag beim informellen EU-Außenministertreffen in Stockholm scharf. Einen Tag nach dem Angriff wurden fünf deutsche Soldaten bei einem Selbstmordanschlag verletzt.

Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner nannte den NATO-Angriff auf zwei mutmaßlich von den Taliban gekaperte Tanklastwagen einen "großen Fehler". Der italienische Außenminister Franco Frattini und sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn sprachen wortgleich von "Aktionen, die niemals hätten geschehen dürfen".

Staatsanwaltschaft prüft Ermittlungsverfahren

Die Staatsanwaltschaft Potsdam prüft, ob ein Ermittlungsverfahren gegen den verantwortlichen deutschen Offizier eingeleitet werden muss. "Wir prüfen einen Anfangsverdacht wegen eines eventuellen Tötungsdeliktes gegen den deutschen Oberst, der diesen Luftangriff befohlen beziehungsweise angefordert hat", sagte der Leitende Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Potsdam, Heinrich Junker. "Ob diese Prüfung zu einem Ermittlungsverfahren führt, ist nach jetzigem Zeitpunkt offen."

Die Bundeswehr hatte laut Verteidigungsministerium die Nato-Luftunterstützung am Freitag nach einem Taliban-Überfall auf zwei ihrer Tanklastzüge angefordert, um einem Selbstmordanschlag auf die deutschen Truppen vorzubeugen. Der Bundeswehr zufolge wurden ausschließlich 57 Aufständische getötet. Der Gouverneur der betroffenen Region, Mohammed Omar, gab die Zahl der Opfer dagegen mit mindestens 72 an. Etwa 30 seien als Aufständische identifiziert worden.

(AP/ddp/AFP/ndi)
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