Kommunikationspanne? US-Rettungsmission im Irak liegt vorerst auf Eis

Die große Rettungsmission der USA im Irak liegt erst mal auf Eis. Gab es da eine Kommunikationspanne zwischen Pentagon und Weißem Haus? Oder steckt mehr dahinter?

 Nicht einmal zehn Stunden hatte die Erklärung von Barack Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes (Foto) über eine mögliche Evakuierungsaktion am Sindschar-Gebirge Bestand.

Nicht einmal zehn Stunden hatte die Erklärung von Barack Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes (Foto) über eine mögliche Evakuierungsaktion am Sindschar-Gebirge Bestand.

Foto: ap

Es geschieht nicht eben häufig, dass Konflikte oder unterschiedliche Einschätzungen zwischen dem Weißen Haus und dem Pentagon offen zutage treten. Das Hin und Her über eine großangelegte Mission zur Rettung von verfolgten Menschen im Nordirak ist eine bemerkenswerte Ausnahme.

Nicht einmal zehn Stunden hatte die Erklärung von Barack Obamas Sicherheitsberater Ben Rhodes über eine mögliche Evakuierungsaktion am Sindschar-Gebirge Bestand. Dann machte eine dürre Erklärung aus dem Verteidigungsministerium alles zur Makulatur. Die Frage steht: Gibt es wieder einmal Spannungen zwischen den Militärs und dem Commander in Chief?

Die Lage ist verwirrend: Über Tage kursierten Berichte über die verzweifelte Lage der von den IS-Milizen verfolgten Minderheit der Jesiden. Von Hunger und Durst, von Temperaturen um 45 Grad war die Rede. Immer wieder hieß es, Zehntausende seien in Gefahr. Die wenigen Bilder, die aus dem Krisengebiet um die Welt flimmerten, waren dramatisch.

Obama und das Weiße Haus wollten dem Grauen nicht länger tatenlos zusehen. Rhodes, einer der engsten Vertrauten Obamas, stellte sich am Urlaubsort Martha's Vineyard vor die Kameras. Ausfliegen oder Fluchtkorridore seien der einzige Weg zur Rettung, sogar von "boots on the ground", von US-Bodentruppen zur Absicherung der Operation, war die Rede. Zwar räumte Rhodes ein, der Präsident habe noch nicht entschieden, erst müssten ihm alle Alternativen vorgelegt werden. Doch die Botschaft war klar: Eine große Operation "made in USA" stehe bevor.

Das Eigenartige: Wusste das Weiße tatsächlich nicht, dass das Pentagon noch keine konkrete Einschätzung der Lage vorliegen hatte, dass die Erkundungsmission von US-Spezialkräften noch nicht ausgewertet war? Sind Obamas Leute vorgeprescht?

Völlig unerwartet und überraschend fiel das Urteil aus dem Pentagon aus. Viel weniger Jesiden als zuvor befürchtet versteckten sich noch im Sindschar-Gebirge. Vielen sei die Flucht gelungen. Und denen, die noch ausharrten, gehe es jetzt viel besser - dank der Abwürfe von Nahrung und Wasser durch die US Air Force.

Ohne viel Diplomatie machte das Pentagon einen Strich durch alle Erwägungen einer großangelegten Rettungsaktion - die sei jetzt erst einmal "viel unwahrscheinlicher". Das Weiße Haus schwieg.

Unklar war, warum Militärs und Geheimdienste nicht schon vor dem Einsatz der Spezialtruppen vor Ort besser unterrichtet waren - etwa durch Satellitenbilder. Am Donnerstag überraschten die Vereinten Nationen (UN) im Irak gar mit der Erklärung, lediglich 1000 verfolgte Jesiden seien noch in den Bergen.

Ganz offenbar waren die US-Militärs von den raschen Erfolgen ihrer Luftschläge gegen die Milizen der Terrorgruppe IS selbst überrascht. Noch vor Tagen hatte das Pentagon eher pessimistische Einschätzungen ausgegeben, der Vormarsch der Terrormilizen sei zwar verlangsamt, nicht aber gestoppt.

Jetzt frohlocken bereits einige, es seien nicht zuletzt die Luftschläge gegen die IS-Einheiten gewesen, die den Menschen das Entkommen aus dem Gebirge ermöglicht hätten. "Der Präsident sagte, wir werden die Belagerung brechen, und wir haben die Belagerung gebrochen", freute sich Brett McGurk, ein Top-Beamter aus dem State Department.

Die "New York Times" ist da etwas zurückhaltender: "Die Geschwindigkeit, mit der die Regierung bekanntgab, dass die Belagerung gebrochen wurde, kann im Ausland Verwunderung hervorrufen."

(dpa)
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