Philadelphia Die angeschlagene Kandidatin

Philadelphia · Hillary Clinton ist die erste Frau, die für eine der beiden großen US-Parteien ins Rennen um das Präsidentenamt gehen wird. Die Skepsis aber bleibt.

Hillary Clinton – US-Präsidentschaftskandidatin 2016
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Das ist Hillary Clinton

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Foto: afp, js

Für Gloria Goodwin ist die Sache klar. "Wir haben Geschichte geschrieben, es ist vollbracht", sagt sie und zeigt ein versonnenes Lächeln. Die zierliche schwarze Frau hat sich herausstaffiert für diesen Abend, der in die Geschichte eingehen soll. Auf dem Kopf trägt sie einen Hut in den Landesfarben, blau mit roter Krempe, von dem eine weiße Feder absteht. Die Buttons, die sie an ihre apricotfarbene Bluse geheftet hat, handeln fast alle von Frauenpower.

Gloria Goodwin ist aus Jacksonville, einer Kleinstadt in North Carolina, nach Philadelphia gereist. Als Delegierte der Demokratischen Partei hat sie Hillary Clinton ihre Stimme gegeben. Nun ist es amtlich, Clinton die Kandidatin. Zum ersten Mal in der Geschichte einer der beiden großen US-Parteien hat eine Frau die Chance, ins Weiße Haus einzuziehen. Goodwin lächelt ihr stilles Lächeln und spricht von einem Moment, der überfällig war. "Wir Frauen haben zu lange gewartet, dass endlich mal eine von uns im Oval Office regiert. Wir managen sonst ja alles, unsere Familien, unsere Firmen, unsere Männer."

Auf dem Monitor über der Bühne zerspringt derweil eine Glasscheibe in Tausende Splitter. Aus Chappaqua, aus ihrer Villa im gediegenen New Yorker Vorortambiente, meldet sich Hillary Clinton zu Wort. Das mit dem Glas ist ihr Motiv, seit sie vor acht Jahren nach ihrer Niederlage gegen Barack Obama die Zukunft beschwor: Die Glasdecke, die Frauen den Zugang zur obersten Etage der Politik versperre, werde schon bald krachend zu Boden fallen. Nun, sagt sie, habe diese Decke einen so breiten Riss wie noch nie. Sollten zu dieser späten Stunde noch irgendwo kleine Mädchen wach sein, so wolle sie ihnen nur sagen: "Ich werde vielleicht die erste Frau Präsidentin, aber eine von euch ist als Nächste an der Reihe."

Philadelphia: Hillary Clinton als Präsidentschaftskandidatin nominiert
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US-Demokraten nominieren Hillary Clinton

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Davor hatte Schauspielerin Meryl Streep, in Hollywood Clintons größter Fan, von der Mischung aus Charakterstärke und Anmut gesprochen, mit der Frauen sich immer nach vorn kämpfen mussten. Und vor Streep hatte Bill Clinton, noch immer einer der begabtesten Geschichtenerzähler der amerikanischen Politik, aus dem gemeinsamen Leben mit Hillary erzählt.

Der 42. Präsident der USA (1993-2001) versuchte ein Hillary-Bild zu zerpflücken, wie es sich bei einer Mehrheit seiner Landsleute in den Köpfen festgesetzt hat. Den einen ist sie zu kühl, zu abgehoben. Andere nehmen ihr ihre Nähe zum großen Geld übel, symbolisiert durch ihre üppig bezahlten Reden bei der Investmentbank Goldman Sachs. Umfragen zufolge haben zwei Drittel der Wähler kein Vertrauen in Hillary Clinton. Gäbe es nicht Donald Trump, wäre sie die unpopulärste Präsidentschaftsbewerberin der jüngeren Geschichte. Gegen all das versuchte ihr Mann anzureden.

"Im Frühjahr 1971 traf ich ein Mädchen", beginnt er, als gebe er eben mal beiläufig eine Reihe von Anekdoten zum Besten. Er schilderte eine Studentin ohne Make-up, dafür mit selbstverständlicher Selbstsicherheit, die ihm imponierte und die sich dann irgendwann auch für ihn interessierte. Bill Clinton erzählte, wie er Hillary Rodham den Hof machte, wie sie zwei Heiratsanträge abschlägig beschied, bevor sie beim dritten Ja sagte. Wie er eine Gouverneurswahl in Arkansas verlor, nachdem er die erste gewonnen hatte und sie im Karriereknick gar nicht erst Weinerlichkeit aufkommen lassen wollte. Er erzählt davon, wie die junge Juristin Rodham durchs ländliche Alabama fuhr, wo weiße und schwarze Kinder trotz rechtlicher Gleichstellung noch viel zu oft in getrennten Klassenzimmern saßen. Das sei die reale Hillary, fasste er es am Ende seiner Rede zusammen und fragte mit spöttischem Unterton, worin denn eigentlich der Unterschied bestehe zwischen seiner Darstellung und der Karikatur, die der politische Gegner von seiner Frau zeichne. Was sei denn nun der Unterschied, fragte Clinton und gab selber die Antwort: "Die eine Frau ist echt, die andere ist erfunden." Da könne man doch von Glück reden, dass die Delegierten die echte Hillary nominiert hätten.

Draußen, hinter einem Dickicht aus Absperrgittern, lassen derweil die hartnäckigsten Hillary-Gegner, Demonstranten, die sie von links kritisieren, ihrem Ärger freien Lauf. "Das ist der Tag, an dem Trump die Wahl gewonnen hat", schimpft Barry Neigh aus Massachusetts. "Die Delegierten hatten einen einzigen Job, sie sollten einen Kandidaten aufstellen, der Trump im Herbst besiegen kann. Und das wäre Bernie Sanders gewesen, niemand sonst."

Empörung löst später am Tag Trump selbst aus - mit der indirekten Aufforderung, Clintons E-Mails zu hacken. "Russland, wenn ihr zuhört, hoffe ich, dass ihr die 30.000 E-Mails findet, die noch vermisst werden", sagte er. Clinton soll als Außenministerin Dienstmails über einen privaten Server abgewickelt haben; etliche hat sie gelöscht. Zudem waren am Wochenende peinliche E-Mails der demokratischen Parteiführung bekannt geworden, die Sanders Steine in den Weg legte. Die Demokraten vermuten Russland hinter der Veröffentlichung.

(RP)
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