Reportage aus Ohio "Die Wahl von Trump ist eine Revolution"

Fremont/Ohio · Der US-Bundesstaat Ohio gilt bei Präsidentschaftswahlen als Gradmesser. Wie reagieren die Bürger einer Kleinstadt auf das Ergebnis?

Wer sich im Nordosten der USA im Bundesstaat Ohio nach Fremont verirrt, entdeckt eine typische Kleinstadt mit altem Kern und schrumpfender Einwohnerzahl. Etwa 16.000 Menschen wohnen noch dort, 80 Prozent sind weiß, die meisten leben in Einfamilienhäusern, teils mit großen Gärten, der Sandusky River lädt zum Angeln ein. Im Sommer wird es hier, unweit des riesigen Lake Erie, brüllend heiß und schwül, im Winter reicht ein Schneesturm aus Kanada und das Leben im Ort liegt brach.

Fremont ist Teil des nordwestlich gelegenen Sandusky County, das bei der Präsidentschaftswahl am Dienstag mit 58,4 Prozent der abgegebenen Stimmen klar an Wahlsieger Donald Trump ging. Die Demokratin Hillary Clinton bekam nur 35,4 Prozent der Stimmen. Ari Eicken freut das. "Die Wahl von Donald Trump ist eine amerikanische Revolution", sagt der 79-Jährige. "Die Menschen haben dem amtierenden Präsidenten Barack Obama und seiner engen Vertrauten Hillary Clinton die Quittung für deren merkwürdiges Demokratieverständnis gegeben." Sie hätten zu oft von der Macht des Präsidenten Gebrauch gemacht und das Repräsentantenhaus und den Senat umgangen, sagt Ari Eicken auf Deutsch.

Seit 1962 lebt er in den USA, "der Freiheit und der Verfassung wegen". Ursprünglich kommt er aus Solingen. Seine Eltern besaßen dort eine Stahlwarenfirma, Ari und seine Frau Hedi zog es aber über den Atlantik, das Geschäft in Deutschland übernahmen sie nicht. 1972 ließen sie sich in Fremont nieder und wählten stets den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. So auch dieses Mal. "Trump hat zwar einige blöde Bemerkungen in der Vergangenheit gemacht, aber zuletzt ist er doch viel ziviler geworden", findet Ari Eicken. Demokraten erhielten nur dann ihre Stimmen, wenn er und Hedi die jeweiligen Politiker persönlich kannten. "So viele Menschen in der Stadt sind mittlerweile abhängig von staatlicher Unterstützung und müssen ihre Familien mit Lebensmittelkarten ernähren. Das ist auch die Schuld von Obamas Politik", schimpft Ari Eicken heute.

Viele leben an der Armutsgrenze

Nach Angaben der Bundesstaatsverwaltung liegt die Arbeitslosenquote in Sandusky County bei 4,3 Prozent, in den gesamten Vereinigten Staaten erreichte sie zuletzt knapp fünf Prozent. Laut Zensus aus dem Jahr 2010 lag das Median-Haushaltseinkommen bei rund 34.000 US-Dollar (31.200 Euro), landesweit sind es 53.000 Dollar (48.500 Euro). Knapp 13 Prozent der Einwohner Fremonts leben unterhalb der Armutsgrenze, das ist amerikanischer Durchschnitt.

Aber nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 mussten auch in Fremont und Umgebung viele Unternehmen schließen, Zuliefererbetriebe für die Automobilindustrie in Detroit entließen viele Arbeiter. Der Norden von Ohio als Teil der Industrieregion "Rust Belt" (zu deutsch Rostgürtel) hatte massiv mit dem industriellen Niedergang zu kämpfen. Die Folgen sind bis heute spürbar. Auch deswegen ist Ohio als sogenannter Swingstate bei jeder US-Wahl von großem Interesse für Meinungsforscher. Ohio bildet den Durchschnitt des gesamten Landes ab, stimmt mal für Demokraten, mal für Republikaner. 2008 und 2012 ging der Bundesstaat an Obama, in diesem Jahr mit einem Ergebnis von 52 Prozent gegen 43,5 Prozent an Trump statt an Clinton.

Rina Oxley, die nicht weit entfernt von den Eickerts lebt, hatte daran ihren Anteil. "Ich bin Christin und konnte einfach nicht Clinton wählen, weil sie für Abtreibungen ist", sagt die 69-Jährige. Deswegen sei Trump gut für die Frauen im Land, sie vertraue auf ihn. Ihr Mann Ralph begrüßt Trumps Idee einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, "um die Drogen aus dem Land zu halten". Er hofft auf wirtschaftlichen Aufschwung durch den "fantastischen Geschäftsmann Trump".

Jeff (62) und Theresa (53) Heaton, Künstler und Lehrer aus Fremont, können es nicht fassen. Sie traf die Nachricht von Trumps Wahlsieg wie ein "Schlag in die Magengrube". Die Ermittlungen des FBI gegen Clinton hätten die Wahl beeinflusst, ist Jeff überzeugt. Es sei sehr beängstigend, was jetzt ablaufe, findet Theresa: "Trump hat das Land weiter gespalten, er ist eine tickende Zeitbombe." Viele Menschen hätten Angst gehabt, dass Clinton ihnen ihre Waffen wegnehmen würde - natürlich sei das "Blödsinn". Jeff fürchtet, dass sich nun viele Hillary-Unterstützer ins Private zurückziehen werden, nicht die offene Auseinandersetzung mit dem Trump-Lager suchen. "Aber wie soll man sonst mit einem Populisten an der Macht umgehen", fragt er.

(jd)
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