Donald Trump & Co. Zeit der Störenfriede

Düsseldorf · Menschen, die die bestehende Ordnung infrage stellen, finden derzeit viel Gehör. Vor allem wenn sie als Unruhestifter auftreten, als Rebellen, die gegen das Establishment wüten und aufräumen wollen mit dem Bestehenden.

 Ein Trump-Anhänger während des Wahlkampfes.

Ein Trump-Anhänger während des Wahlkampfes.

Foto: dpa

Die gemütlichen Jahre sind vorbei. Mit Macht hat dieses Gefühl viele Menschen in den vergangenen Monaten erfasst, unabhängig von ihrem Lebensstandard und den persönlichen Zukunftsaussichten. Terroranschläge in einst unbeschwerten Metropolen, eine Flüchtlingsdebatte mit immer radikaleren Reflexen in ganz Europa, der Brexit der Briten und ein pöbelnder Wahlkampf in den USA, der manche Messlatte des guten Geschmacks gerissen und einen Mann an die Spitze des Staates gebracht hat, der durch Derbheit auffiel. Das alles hat das Vertrauen in die gewohnte, fast nicht mehr wahrgenommene Ordnung erschüttert. Nichts scheint mehr unantastbar; die Gewissheiten von gestern kippen weg, wie die Kulissen in den aktuellen Actionfilmen, in denen Hochhauslandschaften wie Kartenhäuser zusammenfallen und einsame Helden ohne Orientierung zurücklassen.

Man kann dieses Unbehagen als German Angst abtun. Oder man sucht nach Urhebern der allgemeinen Verunsicherung. Dann landet man bei einer historischen Figur, die lange vergessen war, obwohl der Philosoph Thomas Hobbes sie schon Mitte des 17. Jahrhunderts gültig beschrieben hat: beim puer robustus, dem "kräftigen Knaben", dem robusten Mann mit kindischem Geist, dem Unruhestifter, Halbstarken, Außenseiter, der die bestehende Ordnung angreift - beim Störenfried.

Der kann höchst unterschiedliche Gestalt annehmen: Er kann idealistischer Rebell sein, der gegen verkrustete Strukturen aufbegehrt oder plumper Rüpel, dem Zerstörung Lust bereitet. In jedem Fall macht der Störenfried all jenen Angst, die sich arrangiert haben mit dem System, die vielleicht die ein oder andere Kleinigkeit an der Ordnung ihrer Gesellschaft kritisieren, sie aber für grundsätzlich notwendig halten. Für vernünftig.

Barack Obama empfängt Donald Trump im Weißen Haus
8 Bilder

Barack Obama empfängt Donald Trump im Weißen Haus

8 Bilder
Foto: rtr, KL/gk

Der Störenfried dagegen will Umsturz und Veränderung und nimmt die Kosten in Kauf. Er sieht nur, dass er sich mit jenen anlegen muss, die im Grunde vor allem eins wollen: ihre Ruhe.

Störenfriede hat es immer gegeben, doch in Zeiten, da sich Umbrüche andeuten, da die ersten Risse im gewohnten Gefüge auftauchen, reagieren die Vertreter der bestehenden Ordnung nervös. Auch darum ist das Entsetzen über die Wahl Donald Trumps so groß, ist mit ihm doch ein Störenfried selbst Präsident der USA geworden. Ein Unruhestifter vom Typ Egozentriker, wie ihn der Philosoph Dieter Thomä in seiner 700 Seiten starken historischen Analyse des Störenfrieds "Puer robustus" beschreibt. Egozentriker stören die Ordnung der anderen, um eigene Interessen zu verfolgen, etwa Macht und Einfluss zu gewinnen. Sie inszenieren sich in der Rolle von Personen, die aufräumen, die gegen das Etablierte, Bornierte wüten - und werden dafür verehrt. Mit seiner zur Schau gestellten Wut auf eine Schicht, der er selbst angehört, hat Trump Menschen begeistern und Anhänger sammeln können. Diese Wut wird die USA weiter beschäftigen, auch wenn Trump sich nach der Wahl staatsmännisch-versöhnlich gab. Ein Land, das einen Störenfried vom Typus Schulhofrüpel bis ins Weiße Haus vordringen lässt, muss sich fragen, warum aggressive Egozentrik seine Bürger so fasziniert.

New Yorker verordnen sich "U-Bahn-Therapie"
7 Bilder

New Yorker verordnen sich "U-Bahn-Therapie"

7 Bilder
Foto: afp

Es gibt sympathischere Störenfriede. In der Kunstwelt etwa erfolgreich ist der Störenfried vom Typus des "genialen Kindskopfs", der aus Lust an der Extravaganz mit gesellschaftlichen Konventionen bricht. Bei diesen Unruhestiftern ist die Provokation Teil des Schaffensprozesses. Sie fordert den Bürger heraus, doch sie bleibt eine Störung, die sich in die Sphäre des Ästhetischen verdrängen lässt. Zu den Nonkonformisten gehören auch jene Störenfriede, die ihren Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden haben oder ohne Programm gegen Verhältnisse aufbegehren, die sie zu Verlierern machen. Unberechenbar erscheinen darum die Halbstarken, die Randalierer in den sozialen Brennpunkten Großbritanniens, die Autoanzünder in den französischen Banlieues. Sie verfolgen keine erkennbaren Ziele, randalieren vor der eigenen Haustür, schaden sich selbst - und stiften doch Unruhe bei denen, die das Ganze im Blick haben und in einer Gesellschaft leben wollen, die möglichst wenig Menschen zu Aussichtslosen macht.

Natürlich gibt es auch die strategischen Störenfriede, die politische Ziele verfolgen, so wie sie Thomä etwa in der kapitalismuskritischen "Occupy Wall Street"-Bewegung ausmacht. Die Menschen, die in New York kampierten, störten das Stadtbild, weil sie ein Denken stören wollten, das nicht nach dem Einfluss des Finanzkapitals und seiner Makler fragt. Solche Störungen wollen etwas erreichen, in ihnen gibt es ein Moment von Utopie.

Melania Trump: Das ist die neue First Lady und Frau von Donald Trump
13 Bilder

Das ist Melania Trump

13 Bilder
Foto: ap

Der verstörendste unter den Störenfrieden der Gegenwart aber ist der Fundamentalist, der sich erst radikalisiert, einsam aus der bestehenden Ordnung ausbricht, sich dann aber einer Ideologie anschließt. Für "die große Sache" gibt dieser Außenseiter seine Stellung am Rand der Ordnung auf, feiert den unbedingten Gehorsam. Solche Störenfriede können zum Werkzeug etwa des Islamischen Staates werden oder zum rechtsradikalen Massenmörder wie Anders Breivik in Norwegen. In jedem Fall wendet sich ihre Wut am Ende blindwütig gegen alle. Außenseitertum und Allmachtsfantasien gehen dort eine fatale Verbindung ein - aus dem Störenfried wird der Terrorist, dessen Radikalisierungsgeschichte wir inzwischen allzu gut kennen.

"In entspannten Zeiten reagieren die Menschen ängstlich auf Störenfriede, die nerven, aggressiv sind, den guten Frieden bedrohen", sagt Dieter Thomä, "aber es gibt auch den faulen Frieden. Man lehnt sich zurück, findet alles in Ordnung, macht es sich bequem. Dann ist es gut, dem puer robustus mit Neugier zu begegnen." Jede Zeit bringt ihre Störenfriede hervor. Und entscheidet, wie mächtig sie werden dürfen.

(dok)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort