US-Wahlkampf Trumps Steuervermeidung löst Neiddebatte in den USA aus

Nachdem die "New York Times" publik gemacht hat, dass der republikanische Präsidentschaftskandidat fast 20 Jahre lang keine Einkommensteuer gezahlt hat, ist in den USA eine breite Debatte über Steuergerechtigkeit aufgeflammt.

Donald Trump: Das ist der Unternehmer und Ex-Präsident
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Das ist Donald Trump

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Foto: AP/Andrew Harnik

Neiddebatten kennt Amerika eigentlich nicht. Dass man reichen Menschen ihren Reichtum verübelt, ist eher die Ausnahme. Wer Erfolg hat, wird in aller Regel neidlos gefeiert, er gilt schnell als Vorbild, seine Lebensgeschichte als Handlungsanleitung. Nun aber, fünf Wochen vor der Präsidentschaftswahl, hat sich am Milliardär Donald Trump eine Debatte entzündet, bei der es um Gerechtigkeit geht. Wieso mogelt sich ein schwerreicher Bauunternehmer jahrelang um die Einkommensteuer, während Joe und Jane Normalverbraucher ganz selbstverständlich ihren Beitrag zu leisten haben? Was sind das für Gesetze, die eine solche Schieflage zulassen?

Auslöser sind hochbrisante Zahlenkolonnen. Die "New York Times" hat getan, wogegen sich Trump beharrlich sträubt. Die Zeitung hat einen Auszug aus seiner Steuererklärung veröffentlicht. Zwar handelt es sich nur um drei Seiten aus dem Jahr 1995. Die aber haben es in sich, lassen sie doch den Schluss zu, dass der Tycoon über lange Zeit womöglich nicht einen Cent an Einkommensteuern zahlte.

Damals machte er einen Verlust von 916 Millionen Dollar geltend. Unter Nutzung legaler Abschreibungsmöglichkeiten dürfte er sein zu versteuerndes Einkommen um rund 50 Millionen Dollar pro Jahr heruntergerechnet haben, vermuten Experten, die das Zahlenwerk analysierten. Stimmt die Annahme — und der Mogul hat sie bislang nicht dementiert -, dann wäre der Fiskus 18 Jahre lang leer ausgegangen.

Eine Pleitenserie ist "schuld"

Zurückzuführen ist es auf eine Pleitenserie, die Trump Anfang der Neunziger am Rande des finanziellen Ruins wandeln ließ. Als seine drei luxuriösen Spielcasinos in Atlantic City nicht die Einnahmen erzielten, die er sich erhofft hatte, stand er hochverschuldet vor dem Bankrott. Eine von ihm erworbene Fluglinie erwies sich als Flop, in Manhattan erlitt er Schiffbruch mit dem Plaza Hotel, einem architektonischen Juwel, bei dessen Kauf er sich übernommen hatte. Seine Gläubiger ersparten ihm den Offenbarungseid. In der Kalkulation der Banker war es das kleinere Übel, dem Mann einen Rettungsring zuzuwerfen, statt ihn untergehen zu lassen: Donald Trump war "too big to fail".

Steuerlich hat er enorm profitiert von dem unternehmerischen Desaster, wobei noch offen ist, ob es sich bei seinem neunstelligen Minus im Jahr 1995 vornehmlich um echte Verluste handelte oder mehr um solche, die gewiefte Buchhalter nach allen Regeln der Kunst hochgerechnet haben. Im Rennen ums Oval Office aber könnte ihm die Sache noch schaden.

Nicht, dass ihm seine treuesten Anhänger die Gefolgschaft aufkündigen würden. Für die frustrierte weiße Arbeiterschaft im Rostgürtel der alten Industrie kann er praktisch nichts falsch machen, der Polterer, der das Establishment in ihrem Namen herausfordern soll. Doch schwankende Wähler, die einerseits mit Hillary Clinton fremdeln, andererseits Trump für eine hochriskante Wahl halten, dürften sich bestätigt fühlen in ihrer Skepsis. Der schrille Seiteneinsteiger lebt ja gerade vom Image des erfolgreichen Kapitalisten, eines Typus, dem eine Mehrheit der Amerikaner nun mal mehr zutraut als einer politischen Klasse, an deren Handlungsfähigkeit sie zweifelt. Wer jedoch als Unternehmer derart ins Schlingern geriet, kann kaum noch glaubwürdig werben mit diesem Image.

"Unsere Steuerparagrafen belohnen massiv die Reichen"

"Ich verstehe nicht, wie man eine Milliarde in den Satz setzen und trotzdem im Geschäft bleiben kann", sagt Douglas Holtz-Eakin, ein konservativer Ökonom, der sowohl den alten als auch den jungen George Bush im Weißen Haus beriet. Wem es vorher nicht klar gewesen sei, der wisse es nun, sagt Steven Rosenthal, ein Washingtoner Steueranwalt: "Unsere Steuerparagrafen, mit all ihren Ausnahmeregelungen, belohnen massiv die Reichen".

Fast verzweifelt ist Rudy Giuliani, einst Bürgermeister New Yorks, heute der prominenteste Fürsprecher Trumps, darum bemüht, der Geschichte einen positiven Dreh zu geben. In Wahrheit sei Trump ein absolutes Genie, denn er habe sich geltenden Rechts bedient, um seine Firmen zu retten. "Er hat etwas getan, was wir in Amerika seit jeher bewundern: Er hat ein Comeback hingelegt", schwärmte Giuliani bei NBC News. Der Kandidat selber meldete sich via Twitter zu Wort, um die Story umzudeuten. Er kenne Amerikas komplizierte Steuergesetze besser als jeder andere, schrieb er. Ergo sei er der Einzige, der sie reparieren könne.

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