Reaktionen zur TV-Debatte in den USA Ein Mobbing-Vorwurf und viele weiße Zähne

Düsseldorf · Punktsieg für Joe Biden, Ausgleich in den TV-Duellen. Der Demokrat und Vize-Präsident hat mit einem bissigen Auftritt in der ersten und einzigen Fernsehdebatte mit Herausforderer Paul Ryan Obamas schwachen Auftritt wett gemacht. US-Medien sehen einen Punktsieg. Doch es gibt auch harsche Kritik.

 Im TV-Duell mit Paul Ryan war Joe Biden (links) deutlich angriffslustiger als sein Präsident vor wenigen Tagen.

Im TV-Duell mit Paul Ryan war Joe Biden (links) deutlich angriffslustiger als sein Präsident vor wenigen Tagen.

Foto: afp, WIN MCNAMEE

Der Druck, der auf beiden Kandidaten vor dem TV-Duell lastete, war immens: Für Joe Biden galt es, der Erwartungshaltung der Demokraten gerecht zu werden und den schwachen Auftritt des US-Präsidenten im ersten Rededuell mit Herausforderer Mitt Romney vergessen zu machen. Biden, der Retter der Demokraten.

Paul Ryan, möglicher Vize-Präsident der Republikaner, wurde die ungemein schwere Aufgabe zuteil, Romneys in Umfragen mühsam erkämpften Vorsprung gegenüber Obama zumindest zu verteidigen. Oder im Optimalfall noch auszubauen. Ryan, der Fighter der Republikaner.

Nach Meinung der meisten US-Medien hat ein bissiger Biden Obamas "schlechten Tag" ausgemerzt und die Hoffnung seiner Partei und Wähler auf einen Wahlsieg zurückgeholt. Der Demokrat zeigte sich angriffslustig und ließ keine Attacke aus, um Ryans politische Ansichten bloß zu stellen.

Dabei gibt es auch kritische Stimmen. Biden, der im November 70 Jahre alt wird, habe sich mehrfach herablassend seinem deutlich jüngeren Kontrahenten gegenüber verhalten und geäußert. Die "Washington Post" sieht in Bidens Attacken sogar Mobbing-ähnliche Züge.

Im Zentrum der Kritik steht das arrogante "my friend", das der Demokrat dem Republikaner Ryan unentwegt entgegen schleuderte. Ein Kommentator der "New York Times" nennt Bidens Wortwahl in diesem Zusammenhang "arsenic", arsenhaltig. Seine Analyse: ein kraftstrotzender, blendender Auftritt.

Mediale Einigkeit herrscht indes bei Bidens blendenden Zähnen. Mehrfach blitzte das strahlende Weiß des Gebiss in die Kameras. Zu oft, wie Medien kommentieren. Sein wiederholtes Lächeln, für viele eher ein Belächeln des politischen Gegners, sorgt seither für Spott. "Ich bin mir nicht sicher, ob die Debatten-Kameras auf Bidens Zähne vorbereitet waren. Das schaut man sich besser mit einer Sonnenbrille an", schrieb der Korrespondent des "Time"-Magazins.

Für die "Washington Post" hat das Rededuell keinen eindeutigen Sieger verdient. Beide hätten sich wacker geschlagen und hier und da punkten können. Ähnlich wie die "New York Times" auch, attestierte das Blatt Biden deutlich mehr Aggressivität. Unentwegt habe er Versuche unternommen, Ryan in die Enge zu treiben. Doch Bidens sarkastisches Dauer-Lächeln könnte Sympathien gekostet haben.

Die "Los Angeles Times" beobachtete ebenfalls eine hitzige Debatte und einen streitlustigen Demokraten, der unzählige Mal Ryan ins Wort fiel, um aus seinem langen, politischen Erfahrungsschatz zu schöpfen. Irgendwann platzte dem Republikaner allerdings der Geduldsfaden. "Mister Vice President, ich weiß, sie verspüren Druck, Boden gut zu machen. Aber ich glaube, die Menschen fänden es besser, wenn wir uns nicht ständig unterbrächen."

Lobende Worte gab es vom US-Präsidenten nach der Debatte. "Ich bin sehr stolz auf ihn", sagte Obama mit Blick auf Biden am Donnerstagabend (Ortszeit). Auch Romney zeigte sich höchst zufrieden mit seinem Vize. Er habe Ryan bereits angerufen und ihm gesagt, dass "seine Familie stolz auf ihn" sein könne, erklärte der republikanische Herausforderer. Ryan habe sich "phantastisch" geschlagen.

Zwar lieferten erste Umfragen ein gemischtes Bild zum Ausgang. Bei CNN lag Ryan knapp vor Biden. Bei den zahlreichen, noch unentschiedenen Wählern schnitt indes der Demokrat deutlich besser ab. In der Gruppe, die bei der Wahl in dreieinhalb Wochen eine entscheidende Rolle spielen dürften, kam er in einer Erhebung des Nachrichtenkanals CBS News auf 50 Prozent, Ryan erreichte nur 31 Prozent.

(nbe)
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