Präsidentschafts-Wahl in den USA Demokraten fordern Biden statt Clinton

Washington · Es war einer jener seltenen Momente, in denen die Parteifarbe nicht zählte. Ein Moment, in dem Demokraten und Republikaner ihre sonst so kontroversen Debatten vergaßen und gemeinsam trauerten, schockiert angesichts der Schicksalsschläge, die Joe Biden einstecken musste.

Joe Biden – Demokrat, Hardliner und Barack-Obama-Vize
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Das ist Joe Biden

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Foto: ap

In Wilmington im kleinen Bundesstaat Delaware trug der Vizepräsident seinen ältesten Sohn Beau zu Grabe, Chris Martin von Coldplay sang "Til Kingdom Come", US-Präsident Barack Obama sprach mit belegter Stimme von "meinem Bruder" Joe. Kein Mensch dachte damals, Anfang Juni, daran, dass Biden noch einmal an den Start eines Rennens ums Oval Office gehen würde. Es ging allein darum, wie grausam das Leben manchmal sein konnte.

Biden war 30, gerade zum Senator gewählt, als das Auto mit seiner Frau Neilia am Steuer gegen einen Sattelschlepper prallte. Neilia und die einjährige Tochter Naomi bezahlten den Unfall an einem Dezembertag des Jahres 1972 mit ihrem Leben, während die Söhne Hunter und Beau, zwei und drei, wochenlang im Krankenhaus lagen. Biden spielte, wie er später offenbarte, mit Selbstmordgedanken.

US-Wahl 2020 - Kandidaten und Bewerber für Präsidentschaftswahl heute
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Das sind die Kandidaten für die US-Präsidentschaftswahl 2020

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Foto: dpa/Matt Rourke

Als Beau Biden, Justizminister von Delaware, Veteran des Irakkrieges, im Alter von 46 Jahren einem Hirntumor erlag, sprachen auch Republikaner, die sonst härteste politische Gefechte mit Biden austrugen, von einem furchtbaren Schlag in die Magengrube.

Nun verdichten sich die Gerüchte, dass der Senior, der mit Außenminister John Kerry das Duett der "elder statesmen" im Kabinett bildet, seinen Hut tatsächlich in den Ring wirft. Bedeutende Demokraten rufen Biden bereits zur Kandidatur auf. Es wäre das dritte Mal nach 1988 und 2008. Beim ersten Anlauf stürzte er ab, nachdem bekannt geworden war, dass er eine Rede des britischen Labour-Chefs Neil Kinnock passagenweise abgekupfert hatte. Beim zweiten stand er chancenlos im Schatten Hillary Clintons und Barack Obamas.

Dass er beim dritten Mal Erfolg haben könnte, liegt nicht zuletzt am Respekt vor der Art, wie Biden nach der familiären Tragödie Haltung wahrt, pflichtbewusst wie ein Preuße. Und zugleich mit einer Ehrlichkeit über seine Seelenqualen spricht, wie man sie selten erlebt in der US-Politik. Nichts wirkt gekünstelt, nichts aufgesetzt. Wer sich um die Präsidentschaft bewerbe, müsse 110 Prozent geben, sonst habe er nicht das Recht, dieses Amt anzustreben, sagte Biden neulich im Studio des Talkshow-Meisters Stephen Colbert.

(RP)
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