Neue Töne vom Wahlsieger Wird Donald Trump plötzlich zahm?

New York · Der kommende US-Präsident Donald Trump schlägt neue Töne an: "Obamacare" könne in Teilen beibehalten werden. Die Clintons seien talentiert und liebenswürdig. Und auch für die Demonstranten auf den Straßen findet er anerkennende Worte.

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Donald Trump hat in den ersten Interviews seit seinem Wahlsieg in Aussicht gestellt, Teile der Gesundheitsreform seines Vorgängers Barack Obama beizubehalten. Als weitere Überraschung baute Trump am Freitag sein Übergangsteam um: Er ersetzte den monatelangen Leiter des Teams, Gouverneur Chris Christie, durch den designierten Vizepräsidenten Mike Pence. In mehreren Städten der USA gingen erneut Gegner des Immobilienmilliardärs auf die Straße.

Die Rücknahme der "Obamacare" genannten Gesundheitsreform war eines von Trumps wichtigsten Wahlkampfversprechen. In einem am Freitag veröffentlichten Gespräch mit dem "Wall Street Journal" verkündete er nun, dass er Obamas Prestigeprojekt möglicherweise nur nachbessern wolle. Die Reform werde entweder "verbessert oder widerrufen oder ersetzt". Seinen Positionswechsel führte Trump auf das Gespräch mit dem scheidenden Staatschef am Donnerstag im Weißen Haus zurück: Obama habe ihn gebeten, Teile der Reform zu erhalten, und er wolle darüber nachdenken.

"Das wird teurer"

Der künftige Präsident nannte insbesondere zwei Regelungen, die er für erhaltenswert halte: Das gegen die Krankenversicherungen verhängte Verbot, einem Patienten eine Versicherung aufgrund seines Gesundheitszustands zu verweigern sowie den möglichen längeren Verbleib von Kindern in der Krankenversicherung ihrer Eltern. Dem Sender CBS sagte Trump zu der längeren Mitversicherung von Kindern: "Das wird teurer, aber das ist wirklich etwas, das wir beibehalten wollen." CBS veröffentlichte am Freitag Auszüge aus dem Interview, das am Sonntag vollständig ausgestrahlt werden soll.

Als personelle Entscheidung verkündete Trump am Freitag, er habe seinem Vize Pence die Leitung des Übergangsteams anvertraut. Den bisherigen Teamleiter Christie wertete er zu einem von mehreren Stellvertretern ab. Hintergrund dürfte ein Politskandal sein, der den Gouverneur von New Jersey belastet. Außerdem holte Trump, der stets seine Verachtung gegenüber dem "Establishment" ausgedrückt hatte, mehrere Washington-Insider in sein Team, darunter den Republikaner-Parteichef Reince Priebus. Dieser wird nun als sein möglicher Stabschef gehandelt.

Der 70-Jährige berief zudem seine drei ältesten Kinder Donald junior, Ivanka und Eric sowie sein Schwiegersohn Jared Kushner in das Übergangsteam - gleichzeitig sollen sie künftig das Unternehmensimperium leiten sollen.

Trump schloss derweil nicht aus, Ratschläge von Ex-Präsident Bill Clinton anzunehmen. Der Ehemann seiner Rivalin Hillary Clinton sei wie deren gesamte Familie "sehr talentiert", sagte Trump in dem CBS-Interview, nachdem er die Clintons im Wahlkampf äußerst hart attackiert hatte. Bill Clinton habe ihn nach seinem Wahlsieg angerufen. "Und er hätte nicht liebenswerter sein können", sagte Trump.

Hillary Clinton "charmant"

Über die unterlegene Präsidentschaftskandidatin sagte er, diese sei "sehr charmant" gewesen, als sie ihm per Telefon zum Wahlsieg gratuliert habe. Trump hatte sich am Vortag bereits erfreut über sein Treffen mit Obama im Weißen Haus gezeigt.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich überzeugt, dass Trump bei der Klimapolitik einlenken wird. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP nannte Ban die Aussagen des Republikaners zum Klimaschutz zwar "Besorgnis erregend". Gleichwohl sei er sich sicher, dass Trump die "ganze Bedeutung, Ernsthaftigkeit und Dringlichkeit" des Themas verstehen werde. Ban, der zum Jahresende aus dem Amt scheidet, telefonierte nach UN-Angaben am Freitag mit Trump.

Tausende demonstrieren

In mehreren Städten der USA gab es den dritten Tag in Folge Anti-Trump-Proteste. In New York marschierten rund 1200 Demonstranten zum Trump Tower, für Samstag war eine größere Demonstration geplant. In Miami nahmen etwa tausend Menschen an einer offenbar spontanen Demonstration teil. Südlich von Los Angeles legten zwei Dutzend Frauen in Shorts und Sport-BHs auf einer Schnellstraße den Verkehr lahm.

Seit Trumps Wahlsieg waren in zahlreichen US-Städten Gegner des Rechtspopulisten auf die Straße gegangen, in Portland gab es am Donnerstag Krawalle. Auch dort gingen am Freitag erneut Trump-Gegner auf die Straße.

(AFP)
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