800.000 Menschen betroffen Trump kippt Schutzprogramm für junge Einwanderer

US-Präsident Donald Trump kippt ein Programm seines Vorgängers Barack Obama, das Hunderttausende Söhne und Töchter illegaler Einwanderer vor Abschiebung schützt.

 US-Präsident Donald Trump (Archivfoto).

US-Präsident Donald Trump (Archivfoto).

Foto: ap, AB

Keine Pressekonferenz, keine Reporterfragen, keine Antworten. Der Präsident lässt sich nicht blicken, als er einen folgenschweren Entschluss verkünden lässt. Donald Trump hat seinen Justizminister Jeff Sessions vorgeschickt, um eine Erklärung vom Blatt abzulesen. Deren Schlüsselsatz lautet, dass das von Barack Obama beschlossene Programm "Deferred Action for Childhood Arrivals" (DACA) annulliert wird, weil es mit der Verfassung nicht im Einklang stehe.

Es bedeutet, dass die Kinder illegaler Einwanderer zu Hunderttausenden von einem geregelten Status in den juristischen Schwebezustand zurückfallen. Als sie mit ihren Eltern in die USA kamen, die meisten über die mexikanische Grenze, waren sie minderjährig, oft noch nicht einmal im schulpflichtigen Alter. Viele haben inzwischen einen Uni-Abschluss, etliche haben gut bezahlte Jobs gefunden. Allein beim Computerriesen Apple, twitterte Konzernchef Tim Cook, sind 250 von ihnen beschäftigt. Barack Obama hatte die "Dreamer", wie sie genannt werden, 2012 per Dekret aus der rechtlichen Grauzone geholt, nachdem der Versuch, im Kongress eine dauerhafte Lösung zu finden, gescheitert war.

Wer zur Zeit der Einreise jünger als 16 war, durfte bleiben, musste seinen Status aber alle zwei Jahre erneuern. Er durfte studieren, beim Militär dienen, er bekam eine Arbeitserlaubnis, vorausgesetzt, er hatte sich nichts zuschulden kommen lassen. Knapp 800.000 "Dreamer" ließen sich im Rahmen von DACA registrieren. Doch weil das Provisorium auf einer Exekutivanordnung beruhte statt auf einer Novelle der Legislative, konnte es jederzeit mit einem Federstrich aufgehoben werden. Das hat Trump am Dienstag getan.

Vorausgegangen war ein Spiel, wie es der amerikanische Präsident häufig spielt, wenn umstrittene Entscheidungen anstehen. Er gab den Hin- und Hergerissenen, der sich geduldig alle Meinungen anhört und sich am Ende schweren Herzens zu einem Machtwort durchringt. Mal war er der gütige Landesvater, der den "Dreamern" versicherte, sie müssten sich keine Sorgen machen, er habe schließlich ein großes Herz.

Mal der kantige Law-and-Order-Mann, etwa wenige Stunden vor Sessions‘ Auftritt, als er in einem Tweet schrieb: "In einem könnt ihr euch sicher sind, bei uns rangieren die Interessen amerikanischer Bürger an erster Stelle". Im Spagat zwischen dem harten Kern seiner Anhänger und gemäßigteren Republikanern, die für Milde und Augenmaß plädieren, ließ er seinen Justizminister einen Kompromiss skizzieren, der in Wahrheit keiner ist. Die Abschiebung, die den "Dreamern" zwangsläufig droht, da Obamas Order nichts mehr gilt, wird für sechs Monate ausgesetzt. So lange hat der Kongress Zeit, nach einer gesetzlichen Alternative zu suchen.

Sollte es gelingen, wäre es ein kleines Wunder. Das Thema Migration gilt im Kapitol als eines, an dem man sich leicht die Finger verbrennen kann, sodass es konservative Politiker nach bisherigen Erfahrungswerten schnell fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Als sich Senatoren wie John McCain und Marco Rubio nach der Wahl 2012 für kurze Zeit mit demokratischen Kollegen verbündeten, um schätzungsweise elf Millionen illegal Eingewanderten einen Weg aus der juristischen Schattenwelt zu ebnen, prallten sie auf den Widerspruch der Tea-Party-Fraktion. Auch diesmal läuft es auf eine innerparteiliche Kraftprobe zu. An der Herrschaft des Rechts dürfe es keinerlei Abstriche geben, warnt Steve King, ein Hardliner aus Iowa, vor Kompromissen. Soll heißen: Eine Straftat, die automatisch beging, wer ohne gültige Papiere über die Grenze kam, kann nicht nachträglich legalisiert werden.

Dabei mangelt es auch in den republikanischen Reihen nicht an Stimmen, die am liebsten den Status quo fortschreiben würden. Paul Ryan, der Speaker des Abgeordnetenhauses, ist die prominenteste. Man dürfe die "Dreamers" nicht hängen lassen, mahnt er, "sie kennen kein anderes Land, sie haben kein anderes Zuhause". Trump breche die Herzen all derer, die an Gerechtigkeit und menschliche Würde glauben, protestiert ihrerseits Nancy Pelosi, die ranghöchste Demokratin.

Auch die Hightechbranche des Silicon Valley hat das Oval Office wissen lassen, wie wenig sie von drakonischer Härte hält. "Für die Zukunft unserer Unternehmen und unserer Wirtschaft sind die Dreamer lebenswichtig", schrieben Firmenlenker wie Jeff Bezos, Tim Cook und Mark Zuckerberg in einem offenen Brief ans Weiße Haus. "Mit ihnen wachsen wir, mit ihnen schaffen wir Arbeitsplätze."

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