Internationaler Militäreinsatz gestartet USA: Erfolgreicher Angriff auf Libyens Truppen

Tripolis/Washington (RPO). Viereinhalb Wochen nach Beginn des Aufstands in Libyen haben Frankreich, Großbritannien und die USA am Wochenende erstmals die Streitkräfte von Machthaber Muammar al Gaddafi angegriffen. Ziele der Aktion unter dem Codenamen "Odyssee Dawn" waren offiziellen Angaben zufolge Flugabwehrstellungen und andere militärische Einrichtungen an der Mittelmeerküste des nordafrikanischen Landes.

Was einzelne Staaten zum Militäreinsatz gegen Libyen beitragen
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Foto: AFP

Gaddafi kündigte am Sonntag einen "langen Krieg" gegen die internationale Streitmacht an. In einem Telefonat mit dem staatlichen Fernsehen sagte Gaddafi, er werde bei der Bekämpfung des Aufstands im Osten des Landes nicht lockerlassen. Er habe die Waffenlager für die Bevölkerung geöffnet, damit sich jeder mit "automatischen Waffen, Mörsergranaten und Bomben" ausrüsten könne. "Wir versprechen euch einen langen Krieg", sagte Gaddafi. Bereits am Samstag hatte er die alliierten Angriffe scharf als "Aggression von Kreuzzüglern" verurteilt, gegen die sich sein Land verteidigen werde.

US-Vizeadmiral William Gortney sagte im Pentagon, dies sei die erste Phase zur Durchsetzung der vom UN-Sicherheitsrat autorisierten Flugverbotszone in Libyen, mit der Gaddafi an Angriffen auf die eigene Bevölkerung gehindert werden solle. Die Militäraktion habe zwei Ziele: Angriffe der Gaddafi-Truppen auf Rebellen zu unterbinden und die Fähigkeit der libyschen Streitkräfte zu mindern, sich gegen die Flugverbotszone zu wehren.

Die ersten Luftangriffe wurden am Samstag von 20 französischen Kampfflugzeugen geflogen, die nach Angaben von Militärsprecher Thierry Burkhard alle sicher zu ihren Stützpunkten zurückkehrten. Danach feuerten amerikanische und britische Kriegsschiffe im Mittelmeer 112 Tomahawk-Marschflugkörper auf mehr als 20 Ziele ab. Der britische Generalmajor John Lorimer sagte, auch britische Kampfflugzeuge seien im Einsatz gewesen.

Die USA wollen das Kommando über dieLuftangriffe auf Libyen "innerhalb weniger Tage" abgeben. Verteidigungsminister Robert Gates sagte, entweder sollten die Briten oder die Franzosen, oder aber die NATO dieLeitung der Operation zur Einrichtung einer Flugverbotszone übernehmen. Die USA würden zwar auch weiterhin eine "militärische Rolleinnerhalb der Koalition" haben würden, diese solle aber nicht"hervorstechend" sein, sagte Gates. Präsident Barack Obama sei sich"mehr als jeder andere der enormen Belastungen" der US-Streitkräftebewusst.

Ein Vertreter des US-Militärs erklärt, dass die Angriffe der amerikanischen, französischen und britischen Streitkräfte auf libysche Bodentruppen südlich der Stadt Benghasi ein Erfolg gewesen seien. Während die USA die Angriffe als Erfolg werteten, meldete das libysche Staatsfernsehen 48 Tote und 150 Verletzte. Es berief sich auf das libysche Oberkommando; die Angaben konnten nicht unabhängig bestätigt werden. Aus dem US-Verteidigungsministerium verlautete, man sei zuversichtlich, dass die libysche Flugabwehr von der ersten Welle schwer getroffen worden sei.

US-Generalstabschef Mike Mullen sagte, er halte einen Verbleib des libyschen Machthabers Gaddafi im Amt trotz der internationalen Luftangriffe für möglich. Die Koalition könne die Ziele ihres Militäreinsatzes erreichen, doch seien diese begrenzt. Dass Gaddafi abtrete, zähle nicht dazu, sagte der Admiral. Beim Luftangriff wurden auch Verwaltungsgebäude in der Residenz von Gaddafi zerstört.

Rotes Kreuz mahnt Schutz der Zivilbevölkerung an

Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes teilte in einer Erklärung mit, es sei über die Sicherheit der Zivilbevölkerung "tief besorgt". Es rief alle Kriegsparteien auf, sich an das internationale humanitäre Recht zu halten, indem man zwischen Zivilbevölkerung und Kampfeinheiten unterscheide und humanitären Organisationen sicheren Zugang gewähre. Auch Papst Benedikt XVI. rief bei seinem Sonntagssegen alle am Konflikt in Libyen beteiligten Seiten zum Schutz der Zivilbevölkerung auf.

Der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu forderte die afrikanischen Staatschefs auf, Herrscher wie Gaddafi zur Verantwortung zu ziehen. Wenn sie dies schon getan hätten, wäre der Angriff des Westens nicht nötig gewesen, erklärte Tutu.

Kritik am Vorgehen der westlichen Streitkräfte kam am Sonntag von der Arabischen Liga. Generalsekretär Amr Mussa sagte, die Angriffe führten zum Tod von Zivilisten und gingen weiter als jene Schritte, die die Arabische Liga gebilligt habe. Russland forderte die internationale Streitmacht auf, den "wahllosen" Einsatz von Gewalt zu stoppen. Die Luftangriffe überstiegen das Mandat der UN-Resolution, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums.

China äußert Bedauern

Auch China äußerte Bedauern über die Militäraktion. Eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking sagte am Sonntag, China lehne "die Anwendung von Gewalt in den internationalen Beziehungen durchweg ab" und bedauere die Luftangriffe vom Samstag zur Durchsetzung der vom UN-Sicherheitsrat autorisierten Flugverbotszone. China war wie Deutschland eines von fünf Ländern, die sich bei der UN-Resolution gegen Libyen an Donnerstag der Stimme enthielten. In der Nato soll es ebenfalls Vorbehalte gegen den Einsatz geben.

Bundesregierung wehrt sich

Die Bundesregierung trat am Sonntag Vorwürfen entgegen, sie habe sich mit ihrer Haltung zum militärischen Eingreifen gegen Gaddafi international isoliert. Außenminister Guido Westerwelle sagte in Berlin, ein solcher Eindruck sei "völlig falsch". Es gebe viele andere Partner in der EU, die diese Haltung teilten. Zugleich stellte er klar, dass Deutschland sich nicht an dem Militäreinsatz beteiligen werde. "Die Bundeswehr wird nicht nach Libyen geschickt", sagte Westerwelle.

Gaddafi-Anhänger sammeln sich als "Schutzschilde"

Tausende Libyer versammelten sich unmittelbar nach den ersten Angriffen auf Tripolis im Militärlager Bab al Asisija, in dem Gaddafi mit seiner Familie residiert, um den Machthaber als sogenannte menschliche Schutzschilde vor Luftangriffen zu schützen. Auch auf Flugplätzen sammelten sich Anhänger Gaddafis.

Auf französische Initiative hin hatten am Samstag Vertreter aus 22 Staaten in Paris an einem Libyen-Gipfel teilgenommen, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Gesandte aus arabischen Staaten. Der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy teilte mit, alle hätten darin übereingestimmt, dass alles dafür getan werden müsse, die Flugverbotszone und einen Waffenstillstand durchzusetzen. Am Samstag waren vor allem aus der ostlibyschen Rebellenhochburg Bengasi Kämpfe gemeldet worden. Am Sonntag schienen die Waffen Gaddafis dort zu schweigen.

US-Präsident Barack Obama erklärte zum Beginn der Kampfhandlungen bei einem Besuch in Brasilien, diese Entwicklung hätten sich weder die USA noch ihre Verbündeten gewünscht. "Wir können nicht tatenlos zusehen, wenn ein Tyrann seinem Volk sagt, er werde keine Gnade walten lassen", sagte Obama. Der britische Premierminister David Cameron erklärte, die Maßnahmen seien "notwendig, rechtmäßig und gerecht".

Die Militäraktion gegen Libyen ist die größte internationale Intervention in einem Staat seit dem Irak-Krieg. Sie unterstützt einen Aufstand, der nach anfänglichen Erfolgen am Rande einer Niederlage gegen Gaddafis Truppen stand.

(apd/das)
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