USA und Russland beenden Gespräche Was Sie jetzt zum Syrien-Krieg wissen müssen
Düsseldorf · Nach dem Scheitern der Gespräche zwischen den USA und Russland über ein neues Waffenstillstandsabkommen bleiben nur gegenseitige Schuldzuweisungen. Unterdessen wird die syrische Stadt Aleppo zum Symbol des politischen Versagens. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Die Lage ist für viele Syrer noch hoffnungsloser geworden. Die USA haben die Gespräche mit Russland über eine erneute Waffenpause aufgekündigt. Das russische Außenministerium macht die USA für das Scheitern verantwortlich. Die USA wiederum sprechen von "Kriegsverbrechen" im Hinblick auf das Verhalten der russischen und syrischen Armee in Syrien. Die Vereinten Nationen sind nicht handlungsfähig, und es sind so viele unterschiedliche Akteure im Syrienkrieg beteiligt, dass die Aussicht auf eine rasche Einigung aussichtslos erscheint. Die Stadt Aleppo erlebt in diesen Tagen mit der Unterstützung Russlands die heftigsten Luftangriffe der syrischen Armee.
Warum sind die Gespräche zwischen Russland und den USA gescheitert?
Die USA haben die Verhandlungen über eine Feuerpause für die nordsyrische Stadt Aleppo abgebrochen, nachdem sie bereits mehrfach damit gedroht hatten. Ein Sprecher des Weißen Hauses teilte mit, dass man keine Chance auf eine neue Feuerpause sehe. Die USA werfen Russland Kriegsverbrechen im Bürgerkrieg in Syrien vor. Russland gibt wiederum den USA die Schuld am Ende der Verhandlungen. Das russische Außenministerium warf den USA in einer öffentlichen Erklärung vor, die Terrorvereinigung "al-Nusra-Front" in Syrien zu unterstützen und ihnen durch die Feuerpause eine Gelegenheit gegeben zu haben, neue Kämpfer und Waffen nach Aleppo zu schaffen. Die Russen sprechen von einem "Pakt mit dem Teufel", den die USA eingehen, nur um ihr Ziel zu erreichen, den syrischen Machthaber Assad zu stürzen.
Wie ist die Situation in Nordsyrien und Aleppo?
Nach langen Verhandlungen hatten die USA und Russland mit ihren jeweiligen Verbündeten im September eine Waffenruhe in Syrien vereinbart. Diese hat jedoch nur wenige Tage gehalten. Es ging darum, Hilfe für die Zivilbevölkerung zu ermöglichen. Nach Meinung des Syrien-Experten André Bank vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) war der im September vereinbarte Waffenstillstand von vorneherein eine "Totgeburt". Die Erfahrungen mit den regionalen Waffenpausen in Syrien etwa in Homs vor zwei Jahren hätten gezeigt, dass das syrische Regime um Machthaber Baschar al-Assad diese Pausen instrumentalisiert. "Dem Regime geht es um den militärischen Sieg", sagt Bank.
In der nordsyrischen Stadt Aleppo sind rund 300.000 Menschen in den östlichen Stadtgebieten eingekesselt. In Aleppo kämpfen verschiedene Rebellengruppen gegen das Assad-Regime, das die Stadt umzingelt hat. Die Rebellen unter ihnen die radikalislamistische al-Nusra-Front und Teile der "Freien syrischen Armee" verschanzen sich im Osten der Stadt. Die Luftangriffe der Russen richten sich vor allem gegen diesen Teil der Stadt. "Die Menschen dort warten auf den Tod und hoffen, dass sie dann zusammen sterben", sagt Katharina Lange vom Zentrum Moderner Orient. Die Ethnologin hat bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges in Aleppo und den ländlichen Gebieten in der Umgebung Feldforschung betrieben.
Wer kämpft gegen wen?
Seit fünf Jahren herrscht Bürgerkrieg in Syrien. Vereinfacht gesprochen kämpft die syrische Armee des Machthabers Baschar al-Assad gegen viele verschiedene Rebellengruppen, die Assad stürzen wollen. 2015 griff Russland in den Krieg ein und unterstützt seither die syrische Armee im Kampf gegen terroristische Gruppen. Russlands Ziel ist es, Assad im Amt zu halten und seinen Einfluss dort langfristig zu erhalten. Die USA kämpfen mit ihren Verbündeten gegen Assad. Sie haben lange Zeit das Ziel verfolgt, den syrischen Machthaber zu stürzen, um den Weg für den Frieden frei zu machen.
Welche regionalen Mächte sind noch beteiligt?
Der Iran unterstützt das Assad-Regime. Teheran schickt Soldaten der eigenen Armee, außerdem kämpfen auch Gruppen der im Libanon beheimateten schiitischen Hisbollah-Miliz in Syrien auf der Seite Assads. Die Seite der Rebellen wird von Saudi-Arabien unterstützt, dem schärfsten Gegner des Irans. Saudi-Arabien will den Einfluss des Irans in der Region zurückdrängen. Die überwiegend sunnitische al-Nusra-Front, ein Ableger der Terrororganisation al-Qaida, wird von den Saudis unterstützt. Die Türkei kämpft ebenfalls als Reaktion auf die jüngsten Terroranschläge in Istanbul auf der Seite der USA gegen den "Islamischen Staat".
Allerdings verfolgt die Türkei unter Präsident Recep Tayyip Erdogan auch eine eigene Agenda. Sie möchte verhindern, dass ein eigenständiger kurdischer Staat an der türkisch-syrischen Grenze entsteht. Deswegen bekämpft sie auch die kurdischen Milizen YPN, die einige Stadtteile von Aleppo und hauptsächlich kurdische Provinzen in Nordsyrien kontrolliert. Sie steht in Verbindung mit der in der Türkei verbotenen kurdischen Partei PKK.
Welche Rolle spielt der "Islamische Staat"?
Die radikalislamistische al-Nusra-Front ist, obwohl sie ähnliche Ziele wie der IS verfolgt, mit diesem verfeindet. Beide Organisationen haben zu Beginn des Bürgerkriegs für sich beansprucht, die radikalislamistischen Kräfte in Syrien zu dominieren. Im April 2013 kam es zum offenen Bruch, als die al-Nusra-Front ablehnte, sich dem IS unterzuordnen. Die USA wollen den IS bekämpfen, fliegen mit ihren Verbündeten Luftangriffe auf IS-Hochburgen in Syrien mit dem Erfolg, dass dieser immer mehr zurückgedrängt wird. Das Gebiet des IS erstreckt sich vor allem im Euphrat-Gebiet in Nordsyrien.
Warum sind die Vereinten Nationen nicht handlungsfähig?
Als Reaktion auf das Ende der Gespräche zwischen den USA und Russland haben die Vereinten Nationen (UN) angekündigt, die Verhandlungen fortzuführen. Ohne die wichtigsten Akteure im syrischen Bürgerkrieg dürfte das schwierig werden. Der UN-Sicherheitsrat berät am Mittwoch über einen Antrag Frankreichs und Spaniens, der die sofortige Waffenruhe für Aleppo fordert. Russland hat die Resolution mit seinem Veto blockiert. Das ist nicht das erste Mal, dass Russland im syrischen Bürgerkrieg die Vereinten Nationen mit einem Veto schachmatt setzt. Russland hat bereits mehrfach völkerrechtlich verbindliche UN-Resolutionen gegen das Regime in Damaskus verhindert mit Hilfe seines Vetorechts als eines der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates.
Deswegen hat der UN-Hochkommissar für Menschenrechte Said Raad Al-Hussein gefordert, bei Beschlüssen zu Kriegsverbrechen auf das Vetorecht zu verzichten. "Die Vereinten Nationen sind im Augenblick die einzigen, die überhaupt noch Gespräche führen", sagt Katharina Lange vom Zentrum Moderner Orient in Berlin.