Arabischer Frühling Wachsende Sorgen um Christen

Berlin · Der arabische Frühling faszinierte die Welt. Doch nach einem Jahr gibt es statt mehr Demokratie vor allem mehr Christenverfolgung.

Demonstration koptischer Christen eskaliert
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Allein in Ägypten starben bislang 60 Christen durch gewalttätige Übergriffe, Kirchen gingen in Flammen auf, die Übergangsverfassungen werden an der Scharia ausgerichtet. "Ich bin sehr besorgt darüber, dass die Übergriffe auf Christen und liberale Muslime deutlich zugenommen haben", sagt SPD-Religionsexpertin Kerstin Griese unserer Redaktion.

Die Sozialdemokratin hat viele Kontakte in den palästinensischen Raum. Auch von dort hört sie, dass Salafisten zu einem wachsenden Problem in der gesamten Region werden. "Da entsteht ein gewalttätiger Fundamentalismus", warnt Griese.

Im arabischen Frühling gehe es jetzt um die Entscheidung, an welchem Modell man sich orientieren solle. Das Beispiel der Türkei mit der AKP, also einer islamischen Partei in einem laizistischen Staat, spiele eine große Rolle. Doch leider sei auch in der Türkei die Religionsfreiheit für Christen noch nicht uneingeschränkt gewährleistet.

Als "Tragödie" bezeichnet die Unions-Menschenrechtsexpertin Erika Steinbach die Entwicklung. Am Ende werde man vielleicht leider sagen müssen, "dass für Christen die Regime von Mubarak & Co. das kleinere Übel waren, obwohl auch diese die Menschenrechte verachteten", erläutert die CDU-Politikerin unserer Redaktion.

Gerade die Kopten fühlten sich stets als "Ur-Ägypter", nun sei aber zu befürchten, dass sie im neuen Ägypten keine große Zukunft haben werden. Steinbachs bittere Erwartung: "Am Ende wird überall der islamische Fundamentalismus obsiegen." Und das erschwere die Lage für Christen weiter.

Zeichen der Hoffnung erkennt der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Ruprecht Polenz. Er verweist auf die Signale der Moslembrüder für ein friedliches Zusammenleben in Ägypten. Außerdem habe schon Mubarak die konfessionellen Spannungen "nach Bedarf angeheizt, wann immer er sie für seine autoritäre Herrschaft nutzen wollte", so der Unions-Außenexperte.

Es könne nicht verwundern, dass islamische Gruppen bei den Wahlen nun so gut abschnitten. Sie hätten einfach einen "Glaubwürdigkeitskredit aufgrund ihres Wirkens in den autoritären Zeiten". Darin zeige sich auch die "Suche der Gesellschaft nach Werten, vor allem religiösen Werten", so Polenz im Gespräch mit unserer Redaktion. Für ihn ist zudem klar: "Die Antworten fallen in Tunesien anders aus als in Libyen, in Ägypten anders als in Marokko".

Was tun? Für Polenz ist herausragend wichtig, dass die Bemühungen um Menschenrechte für Christen "nicht fehlgedeutet werden als Ankündigung eines neuen Kreuzzuges". Es könne deshalb bei allen Interventionen immer nur um die Religionsfreiheit für alle gehen, nicht nur um die für Christen.

Griese setzt auf verstärkte Bildungsarbeit, um über die Stiftungen die Idee der positiven Religionsfreiheit auch im arabischen Frühling mehr zu verbreiten. "Sehr kritisch" vermerkt sie in diesem Zusammenhang, dass in Ägypten die Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung behindert wird.

Für Steinbach geht es vor allem darum, zu "mahnen und immer wieder die Stimme zu erheben". Der Entwicklungsminister habe zwar bereits ein waches Auge auf die Entwicklung geworfen, "aber wir sollten die Entwicklungshilfe noch stärker an die Einhaltung der Religionsfreiheit und der Menschenrechte insgesamt knüpfen", betont die CDU-Politikerin.

(pst)
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