Nach der Stichwahl in Frankreich Deutschland muss Macron helfen

Düsseldorf · Die EU lässt sich nur stabilisieren, wenn Frankreich endlich wieder zu Deutschland aufschließt. Dem Land einfach das deutsche Erfolgsmodell überzustülpen, wäre allerdings keine gute Idee.

Im Berliner Kanzleramt, wo man ja gerne auf alle Eventualitäten vorbereitet ist, gab es keinen "Plan B". So gruselig erschien die Aussicht auf einen Wahlsieg der Rechtspopulistin Marine Le Pen, so katastrophal seine möglichen Folgen und so abstoßend das Programm der Kandidatin, dass ihr Kontrahent Emmanuel Macron einfach gewinnen musste - Punkt.

"Zu Le Pen haben wir keine Kontakte und keinerlei Verhältnis", beteuerte Christoph Heusgen, seit zwölf Jahren außenpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, noch zwei Tage vor der Stichwahl. Man kann das verstehen: Im Kontrast zu der knallharten Nationalistin Le Pen, die ihren Wahlkampf immer wieder mit anti-germanischen Tiraden würzte, wirkte der bekennende Europa-Freund Macron auf viele Deutsche geradezu wie eine Heilsgestalt, wie ein französischer Obama. Womit allerdings auch schon viel über die Gefahren gesagt ist, die dem neuen Präsidenten drohen.

Wie Obama wurde Macron mit dem Versprechen des Wandels ins Amt gewählt. Wie Obama versprach auch Macron, mit den alten politischen Schablonen zu brechen und eine Koalition der Willigen hinter sich zu scharen. Er inszenierte sich geschickt als Außenseiter, der er nur sehr bedingt ist. Doch nun ist der Wahlkampf vorbei, und der neue Präsident täte gut daran, anders als Obama von Anfang an ebenfalls die Entzauberung, ja den Absturz einzukalkulieren, der einem wie ihm im politischen Alltag droht. Und auch in Deutschland sollten wir die 5 verständliche Erleichterung darüber, dass Macron uns Madame Le Pen erspart hat, schnell zugunsten einer nüchternen Betrachtung beiseiteschieben.

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Denn ganz so strahlend, wie Macrons Wahlsieg erscheinen mag, ist er dann doch nicht. Nur rund ein Viertel der Wähler hat ihn in der ersten Runde gewählt. Viele der Stimmen, die er dann in der Stichwahl hinzugewann, hat Macron wohl nur erhalten, weil er verglichen mit Le Pen den meisten Franzosen dann doch als das kleinere Übel galt. Nimmt man auch noch die Nichtwähler und die Enthaltungen hinzu, wird schnell klar, dass Macron nur einen kleinen Teil der Nation wirklich hinter sich weiß. Und es ist nicht einmal sicher, dass der neue Präsident bei der Parlamentswahl im Juni eine Mehrheit für seine Reformpolitik in der Nationalversammlung erringt.

Bei dieser Präsidentenwahl haben links- und rechtsextreme Kandidaten fast die Hälfte der Stimmen eingefahren - befeuert von der bodenlosen Enttäuschung vieler Franzosen über die Ineffizienz und Korruption ihrer politischen Klasse. Nur wenn Macron rasch Erfolge verbuchen kann, hat er eine Chance, diese Menschen zurückzugewinnen und die zutiefst gespaltene Nation zu versöhnen. Man übertreibt wohl nicht, wenn man die kommenden fünf Jahre der Amtszeit Macrons als letzte Chance für Frankreich bewertet. Für Frankreich und für Europa.

Selten lag es so offensichtlich auch im ureigensten deutschen Interesse, dass der Mann im Elysée-Palast reüssiert. Bleibt Frankreich dauerhaft in seiner Wirtschafts- und Identitätskrise stecken, wird das Land zu einer akuten Gefahr für das europäische Projekt und damit auch für den Wohlstand und die politische Stabilität seiner Nachbarn, allen voran Deutschlands. Das deutsch-französische Verhältnis, das während der Präsidentschaft von François Hollande nur noch lustlos verwaltet wurde, bedarf dringend einer Neujustierung. Nur dann haben wir Deutschen wieder jenen starken, selbstbewussten Partner, ohne den sich die EU nicht zusammenhalten und erst recht nicht weiterentwickeln lässt. Das wird nicht leicht, und wird große Anstrengungen von den Franzosen verlangen - aber nicht nur.

Das Entscheidende ist, dass Frankreich wieder zu Deutschland aufschließt, vor allem ökonomisch. Kamen unsere Nachbarn 2005 bei der Wirtschaftsleistung noch auf 97 Prozent des deutschen Niveaus, dürften es nach der aktuellen Frühjahresprognose des Internationalen Währungsfonds in diesem Jahr nur noch 88 Prozent sein. Im Gegensatz zu vielen anderen französischen Politikern schiebt Macron diesen Abstieg nicht auf Deutschlands wirtschaftliche Dominanz, sondern will vor allem die eigenen Schwächen beseitigen. Der Arbeitsmarkt soll reformiert und die Unternehmen sollen entlastet werden. Den Staatsapparat, der 57 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschlingt, will Macron verschlanken.

Das hört sich an wie eine französische Version der Agenda 2010. Aber dies sollte in Berlin niemand zu dem Glauben verleiten, Macron werde jetzt brav eins zu eins das deutsche Erfolgsmodell kopieren. Aus innenpolitischen Gründen wird er einen gewissen Abstand wahren: Um keinen Preis will Macron als Merkels Marionette dastehen - das wäre das vorgezogene Ende seiner Präsidentschaft. Wohl auch deswegen übte Macron im Wahlkampf deutliche Kritik an den hohen deutschen Exportüberschüssen und dem wirtschaftlichen Ungleichgewicht in der Euro-Zone.

Das wird nicht vergessen sein, wenn Macron und Merkel demnächst darüber zu reden haben, wie die EU gemeinsam stabilisiert werden kann. Das ungelöste Problem der ökonomischen Fraktur zwischen dem Süden und dem Norden Europas, das Macrons Vorgänger Hollande zu Beginn seiner Amtszeit vergeblich zu nutzen versucht hatte, um eine anti-deutsche Front zu schmieden, ist ja nicht verschwunden. Und auch Macron hat einige Vorstellungen für die Umgestaltung der Euro-Zone, die den deutschen Steuerzahler zusätzliches Geld kosten würde.

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Das ist sicherlich nicht populär. Aber wenn Frankreich unter Macron endlich ernst macht mit dem Sparen und Reformieren, könnte sich der Einsatz lohnen. Denn einen besseren Partner im Elysée-Palast bekommen wir nicht mehr.

(RP)
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