Präsidenten-Stichwahl Wahlkrimi in Österreich

Wien · Bei der ersten Hochrechnung führte noch Rechtspopulist Norbert Hofer. Eine halbe Stunde später lag Gegner Alexander Van der Bellen vorn. Dann der Gleichstand. Werden jetzt die Briefwähler das Zünglein an der Waage?

 Alexander Van der Bellen, Kandidat der Grünen, und Norbert Hofer, Kandidat der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) bei ihrem TV-Duell vor einigen Tagen.

Alexander Van der Bellen, Kandidat der Grünen, und Norbert Hofer, Kandidat der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) bei ihrem TV-Duell vor einigen Tagen.

Foto: afp, PZ

Der Ausgang der österreichischen Bundespräsidentenwahl ist nach einer neuen Hochrechnung völlig offen. Sowohl der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen als auch der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer lagen am Sonntagabend laut ORF-Hochrechnung bei exakt 50 Prozent. Grundlage der Einschätzung sind 93,6 Prozent der Wahlbezirke, inklusive Briefwähler. Die Schwankungsbreite beträgt aber noch plus/minus 0,9 Prozentpunkte. (Stand 18:20 Uhr).

Die Ergebnisse sind so hauchdünn, dass ein endgültiger Sieger erst am Montag feststehen kann. 900.000 Österreicher (rund 14 Prozent) wollten per Briefwahl teilnehmen. Das Ergebnis aller Briefwähler wird erst im Laufe des Montags feststehen.

Der Kandidat der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Norbert Hofer, lag nach ersten Hochrechnungen des ORF äußerst knapp mit 50,2 Prozent vorn. Sein Konkurrent, der von den Grünen unterstützte Alexander Van der Bellen (72), kam demnach auf 49,8 Prozent. Bestätigen sich die Zahlen der ersten Hochrechnung, wäre der 45-jährige Hofer der erste Rechtspopulist an der Spitze eines EU-Staates.

Die FPÖ ist ausländer- und europakritisch. Hofer hat angekündigt, als Bundespräsident seine Befugnisse stärker als die Vorgänger nutzen zu wollen. Dazu gehört im äußersten Fall auch die Entlassung der Regierung.

Beide Kandidaten hatten sich in einem bisher beispiellosen Lager-Wahlkampf um die Nachfolge des im Juli ausscheidenden Bundespräsidenten Heinz Fischer beworben. Erstmals waren in der Stichwahl keine Kandidaten der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP vertreten. Unter anderem wegen des SPÖ-Debakels in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen war Bundeskanzler Werner Faymann zurückgetreten.

Die Wahl stieß international auf großes Interesse. Das Erstarken der Rechtspopulisten auch in anderen Ländern wird von EU und vielen Regierungen mit Sorge beobachtet. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte sich mit klaren Worten in den österreichischen Präsidentschafts-Wahlkampf eingemischt und vor Hofer gewarnt.

Das neue Staatsoberhaupt wird am 8. Juli vereidigt. Die Amtsdauer beträgt sechs Jahre. Der Bundespräsident darf sich laut Verfassung einmal zur Wiederwahl stellen.

In einer ersten Analyse zu den Wahlmotiven stellte sich heraus, dass weniger die echte Überzeugung für einen Kandidaten eine Rolle spielte. Vielmehr machten viele Wähler ihr Kreuz, um den jeweiligen Gegenkandidaten zu verhindern. 40 Prozent der Wähler von Van der Bellen gaben an, "gegen Rechts" gewählt zu haben, um Hofer zu verhindern, sagte der Meinungsforscher Peter Hajek. "Alle anderen Motive sind da deutlich in den Hintergrund getreten." So habe das Flüchtlingsthema bei nur zwölf Prozent der Hofer-Wähler eine wichtige Rolle gespielt.

Hofer konnte laut Analysen vor allem bei den Wählern im ländlichen Raum punkten, der 72-jährige Van der Bellen hatte die meisten Anhänger in den größeren Städten.

(dafi/dpa/AFP)
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