Erstes Interview in Europa Was Trump sagt und was es bedeutet

New York · In seinem ersten Interview mit europäischen Zeitungen bleibt sich der künftige US-Präsident Donald Trump treu. Radikal stellt er politische Strukturen und Bündnisse infrage. Was er an ihre Stelle setzen will, bleibt jedoch weitgehend offen.

 Donald Trump im "Bild"-Interview: "Ich kam massiv unter Druck, als ich sagte, die Nato sei obsolet"

Donald Trump im "Bild"-Interview: "Ich kam massiv unter Druck, als ich sagte, die Nato sei obsolet"

Foto: Daniel Biskup/BILD/dpa

Knapp eine Woche vor seinem Amtsantritt an diesem Freitag hat Donald Trump sich erstmals ausführlich den Fragen europäischer Journalisten gestellt. Wir analysieren nachfolgend die wichtigsten Aussagen aus dem von der "Bild"-Zeitung und "The Times" gemeinsam geführten Interview.

Trump über Angela Merkel

"Ich hatte das Gefühl, sie ist eine großartige Anführerin. Aber ich finde, sie hat einen äußerst katastrophalen Fehler gemacht, und zwar, all diese Illegalen ins Land zu lassen."

Die deutsche Flüchtlingspolitik hatte Trump schon während des US-Wahlkampfes scharf kritisiert, sie sogar als "geisteskrank" bezeichnet. Und er hat dabei mehrfach einen direkten Zusammenhang zwischen der massiven Zuwanderung und islamistischen Terroranschlägen in Europa hergestellt. Nicht weiter verwunderlich für einen Politiker, der angekündigt hat, Menschen aus muslimischen Ländern als Sicherheitsrisiko grundsätzlich die Einreise in die USA zu verweigern. Zugleich bezeichnet er Merkel in dem Interview aber auch als "großartige Anführerin", die er respektiere und der er vertraue - wobei er allerdings gleich einschränkend hinzufügt, dies gelte in gleichem Maße für Russlands Präsidenten Wladimir Putin.

Worte, die im Kanzleramt nicht gerade Begeisterungsstürme auslösen dürften. Trump setzt offenbar auch gegenüber einem Verbündeten wie Deutschland auf eine Verunsicherungsstrategie. Man soll sich in Berlin nicht zu sicher fühlen, was die Sympathien der USA angeht: Nichts ist garantiert, vieles hängt vom deutschen Wohlverhalten ab, alles ist Verhandlungssache. Und falls nötig, könnten sich die USA andere Partner suchen. Eine ziemlich unverblümte Drohung.

Trump über die Nato

"Ich kam massiv unter Druck, als ich sagte, die Nato sei obsolet. Sie ist aber obsolet, weil sie sich nicht um den Terrorismus gekümmert hat. Und jetzt haben sie eine ganze Abteilung, die sich ausschließlich mit Terrorismus befasst. Das ist gut."

Auch bei seinem Urteil über das westliche Verteidigungsbündnis schert sich Trump nicht um irgendwelche Lektionen aus der Geschichte. Er hält die Nato für verstaubt, ihre Strategie für überholt und die finanzielle Lastenverteilung für unfair. Im letzten Punkt hat Trump sogar recht - nur sehr wenige Nato-Partner leisten ihren vollen Anteil an den Verteidigungsanstrengungen. Dieses sicherheitspolitische "Trittbrettfahren" der Europäer haben auch Trumps Vorgänger im Weißen Haus immer wieder kritisiert.

Allerdings wissen gerade viele republikanische Politiker in Washington auch um den großen Wert, den die Nato für die Rolle der USA in der Welt hat. Die Amerikaner können viel, aber allein wären auch die mächtigsten Streitkräfte der Welt überfordert. Ganz abgesehen von der politischen Rolle, die das Bündnis spielt. Trumps künftiger Verteidigungsminister James Mattis hat schon erklärt, die Nato sei für sein Land unverzichtbar.

Trump über die EU und den Brexit

"Im Grunde genommen ist die EU ein Mittel zum Zweck für Deutschland. Deswegen fand ich, dass es so klug von Großbritannien war auszutreten. Zum Teil wurde die Union gegründet, um die Vereinigten Staaten im Handel zu schlagen, nicht wahr? Also ist es mir ziemlich egal, ob sie getrennt oder vereint ist, für mich spielt es keine Rolle."

Die EU ist für Trump kein historisches Projekt, sondern eher so etwas wie ein in die Jahre gekommener Club mit bröckelnder Mitgliedschaft. Nach dem Ausscheiden Großbritanniens, das er im Interview noch einmal ausdrücklich lobt, erwartet er weitere Austritte. Seine Kenntnisse über die EU sind aber offensichtlich eng begrenzt. So kann sich Trump an den Namen von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der ihn angerufen hatte, um ihm zum Wahlsieg zu gratulieren, im Interview nicht erinnern. Das ist noch nicht ungewöhnlich: Eine gewisse Geringschätzung gegenüber dem komplizierten Brüsseler Apparat haben US-Politiker immer schon an den Tag gelegt.

Die Frage, wer eigentlich in Europa das Sagen hat, wurde in Washington gerne gestellt. Für Trump ist die Sache dagegen ganz einfach: Die EU ist ein deutsches Projekt, geschaffen vor allem zum deutschen Nutzen. Diese These hat auch in Europa ihre Anhänger - besonders in den südlichen Schuldenländern schieben viele Menschen ihre wirtschaftlichen Probleme auf einen angeblichen deutschen Egoismus. Trumps Worte könnten EU-Skeptikern also weiteren Auftrieb verschaffen. Es wäre freilich ein großes Missverständnis: Trump geht es nicht darum, kleinere EU-Länder von deutscher Bevormundung zu befreien. Er sieht die EU vor allem als wirtschaftlichen Konkurrenten der USA. Zerbricht die Gemeinschaft, wäre das unmittelbar von Vorteil für die USA, so sein Kalkül.

Trump über die deutsche Auto-Industrie

"Wenn man über die 5th Avenue geht, hat jeder einen Mercedes-Benz vor seinem Haus stehen, stimmt's? Wie viele Chevrolets sehen Sie in Deutschland? Nicht allzu viele - es ist eine Einbahnstraße." Und weiter: "Ich würde BMW sagen, wenn sie eine Fabrik in Mexiko bauen, werden sie für jedes Auto, das in die USA kommt, 35 Prozent Steuern zahlen."

Trump hatte schon im Wahlkampf eine härtere Gangart gegenüber der Auto-Industrie angekündigt - und den US-Herstellern bereits Zugeständnisse abgerungen. Viele Hersteller haben in Mexiko in den vergangenen Jahren Werke eröffnet, um von den günstigeren Löhnen zu profitieren - auch deutsche (siehe Karte). Laut dem mexikanischen Automobilindustrieverband Amia wurden zwischen Januar und November 2016 in Mexiko 3,22 Millionen Fahrzeuge produziert - rund 60 Prozent gingen davon in die USA.

BMW will hier ab 2019 produzieren. Die USA sind für BMW allerdings nicht nur ein wichtiger Markt: Das weltweit größte BMW-Werk steht in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina. Mit rund 300.000 aus Spartanburg exportierten SUVs sei man der größte Autoexporteur der USA, sagte ein BMW-Sprecher. Matthias Wissmann, Chef des Automobilverbandes VDA, sagt: "Mehr als die Hälfte der Fahrzeuge, die die deutschen Hersteller in den USA fertigen, werden exportiert. Mit dem Aufbau von Zöllen oder anderen Handelsbarrieren würden sich die USA langfristig ins eigene Fleisch schneiden."

Der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, warnt vor einem Handelskrieg: "Wenn die USA zum Beispiel Schritte gegen die deutsche Autoindustrie unternehmen, würde das wahrscheinlich Gegenmaßnahmen der EU nach sich ziehen", sagte Snower.

Auch für die USA hätten Strafzölle negative Folgen. Würden die USA Strafzölle für importierte Autos einführen, müssten sie dies aus rechtlichen Gründen für alle Fahrzeugtypen einer Kategorie tun, so Snower. "Dies hätte für die amerikanische Wirtschaft aufgrund der grenzüberschreitenden Lieferketten gravierende wirtschaftliche Schäden zur Folge", sagte er. Denn in vielen Autos, die in Mexiko gefertigt oder vorgefertigt werden, steckten Vorleistungen aus amerikanischer Produktion. "Flächendeckende Strafzölle wären, als würde man in einer Fabrik eine Mauer errichten", so Snower.

In einem Punkt aber hat Trump recht: Chevrolets sieht man in Deutschland selten. Am 1. Januar gab es davon nämlich nur 244.448 - bei insgesamt knapp 45 Millionen Pkw. Der Marktanteil liegt bei rund 0,5 Prozent. Andere US-Hersteller wie Ford (Marktanteil: 7,5 Prozent) oder General Motors mit seiner deutschen Tochter Opel (10,3 Prozent) sind deutlich erfolgreicher. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) spöttelte bereits, die US-Hersteller müssten einfach bessere Autos bauen, wenn sie hierzulande erfolgreicher sein wollen.

(RP)
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