Weltwirtschaftsforum in Davos Merkels Gruß von der Weltbühne

Berlin · Oft war sie nicht in Davos. Diesmal aber nutzt die angeschlagene Kanzlerin das Weltwirtschaftsforum auch für dieses Signal: Sie ist immer noch die Mächtigste in Europa. Die, die es mit Donald Trump aufnimmt.

Weltwirtschaftsforum 2018 in Davos

Weltwirtschaftsforum 2018 in Davos

Foto: afp

Endlich wieder einmal Weltbühne. Die bedrohliche Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump, die herausfordernden EU-Reformpläne von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron oder die provokante Siedlungspolitik von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Und nicht diese Spiegelstriche in mühseligen Koalitionsverhandlungen mit CSU-Chef Horst Seehofer und dem SPD-Vorsitzenden Martin Schulz. Zwar seit vier Monaten nur geschäftsführend im Amt, von vielen Staats- und Regierungschefs aber weiter als Europas mächtigste Politikerin wahrgenommen, wird Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos ihre Sicht auf Notwendigkeiten in der globalen Wirtschaftspolitik erläutern.

Seit der Bundestagswahl im September des vergangenen Jahres hat sie selten die Möglichkeit gehabt, außenpolitisch aufzutreten, was ihre Machtfülle meistens stärkt. Zählte Davos in den vergangenen Jahren nicht zu ihren Pflichtterminen - zuletzt war sie im Jahr 2015 dort -, so bedeutet der Winterkurort für die CDU-Vorsitzende in diesem Jahr auch politisch Luft zum Atmen. Es ist für sie eine willkommene Gelegenheit, ihren Amtsbonus wieder aufzupolieren, der angekratzt ist durch die Stimmenverluste bei der Wahl, die gescheiterten Jamaika-Verhandlungen und jetzt mühseligen Koalitionsverhandlungen mit der SPD.

Das Motto des Treffens der Wirtschaftselite kommt wie gerufen: "Für eine gemeinsame Zukunft in einer zerrissenen Welt". Merkel predigt seit Jahren, dass kein Staat allein Erfolg haben wird. Bei einem Mittagessen wird sie mit deutschen und afrikanischen Unternehmen über Handelsbeziehungen zu Afrika sprechen.

US-Präsident Trump wird sie nicht sehen. Wenn er am Donnerstag in Davos ankommt, brütet Merkel schon wieder in Berlin über Strategien für die Bildung ihrer dritten schwarz-roten Koalition. Vielleicht wird sie in ihrer Rede nicht einmal Trumps Namen erwähnen. Es werden aber auch so alle wissen, wen sie meint, wenn sie von den Gefahren durch Protektionismus und nationale Abschottung sprechen wird.

Merkel hatte Trump schon direkt nach seiner Wahl im Herbst 2016 an die gemeinsamen Werte der USA und Deutschlands erinnert und ist seitdem nicht davon abgerückt. Und sie hat zugleich versucht, Europa von dem großen wichtigen Partner USA ein Stück weit zu emanzipieren. Vermutlich wird sie auch heute die EU-Staaten wieder ermutigen, selbstbewusst mehr Verantwortung zu übernehmen und auf den Ausbau eigener wirtschaftlicher Stärke pochen. Denn nur dann gewinnen sie an Einfluss.

Da sich das Weltwirtschaftsforum als Symbol für weltweiten Freihandel versteht, sind die 3000 Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft gespannt auf die Botschaft von Trump. Seine "America first"-Politik passt so gar nicht zu Davos.

Hier hatte sich selbst Chinas Machthaber Xi Jinping vor einem Jahr als Führer einer kommunistischen Planwirtschaft zum Anwalt einer liberalen Wirtschaftsordnung erklärt. Indiens Regierungschef Narendra Modi beklagte gestern in seiner Eröffnungsrede: "Die Kräfte des Protektionismus erheben ihre Köpfe gegen die Globalisierung." Der Schweizer Präsident Alain Berset betonte: "Misstrauen vor Multilateralität und Freihandel verstärkt bestehende Klüfte und vertieft sie noch." Wer sich vor Zusammenarbeit fürchte, ziehe sich aus der Welt zurück.

Graf Lambsdorff findet Merkels Auftritt deplatziert

Merkels Auftritt findet der Wirtschafts- und Europaexperte der FDP, Alexander Graf Lambsdorff, aber völlig deplatziert. Es sei nicht korrekt, dass sie programmatische Reden auf internationalen Konferenzen halte, solange sie nur geschäftsführend im Amt sei, sagte er unserer Redaktion. "Ihre Aufgabe liegt jetzt in Berlin und nicht in Davos." Oder sie solle bei diesem Weltwirtschaftsforum ein Signal für die steuerliche Besserstellung von Unternehmen in Deutschland setzen.

Denn gleich, was man von Trump halte - seine Unternehmensteuerreform in den USA sei eine riesige Herausforderung für Deutschland und Europa. Jetzt müssten dringend auch in Deutschland die Unternehmen entlastet werden. Macron habe das in Frankreich schon getan, und China habe längst reagiert. Bei all den Geschichten über "Trump und Pornokünstlerinnen" oder "Trump und Twitter" gehe unter, dass der US-Präsident mit seiner Steuerpolitik auch großen deutschen Konzernen wie Bosch, Siemens oder BMW Anreize verschaffe, in den USA Arbeitsplätze zu schaffen anstatt in Deutschland, sagte Lambsdorff.

Und wenn Trump die Unternehmenssteuer von 35 auf 21 Prozent senke, müsse die Bundesregierung ein Signal senden, diese Steuer ebenfalls in Deutschland zu senken. "Nur noch Belgien liegt über unserer Unternehmensteuer von 36 Prozent. Man muss nicht gleich auf 21 Prozent gehen, aber Unternehmen müssen spürbar steuerlich entlastet werden, damit sie einen Anreiz haben für Investitionsentscheidungen." Die Botschaft der Bundesregierung müsse sein: "Wir haben verstanden, dass es einen ernsthaften Standortwettbewerb gibt."

(kd)
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