EU-Land in der Schuldenkrise Wer hilft Griechenland?

Athen (RP). Dem Mittelmeerland wachsen seine Schulden über den Kopf. Ein Staatsbankrott würde eine fatale Kettenreaktion in ganz Europa auslösen. Jetzt schlägt die Bundesregierung einen Notfall-Fonds vor.

Drastische Sparmaßnahmen: Rosskur für Griechenland
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Foto: AFP

Bankenkrise, Klimawandel, internationaler Terrorismus, Steuerflucht und Welthunger: Je enger die Welt technisch und wirtschaftlich zusammenrückt, desto deutlicher treten auch die Schattenseiten der Globalisierung hervor. Die Wirtschaft hat schon zu Zeiten der Fugger und der Medici gelernt, sich von Staatsgrenzen nicht behindern zu lassen. Die Politik tut sich damit bis heute schwer, wie die relative Hilflosigkeit der Uno, die Fruchtlosigkeit von Klimagipfeln oder die schwache Akzeptanz des Europaparlamentes zeigen. Oft muss es erst ganz dicke kommen, bis auch Staaten zusammenrücken.

So wie derzeit in Griechenland: Weil das Mittelmeerland die EU jahrelang über seine wahre wirtschaftliche Verfassung getäuscht hat, droht ihm jetzt der Staatsbankrott. Die Griechen stehen im Ausland mit 300 Milliarden Euro in der Kreide. Das ist mehr, als das ganze Land pro Jahr erwirtschaftet. Bis nächsten Monat müssen sie 20 Milliarden Euro abbezahlen — sonst glaubt die Weltfinanzwirtschaft ihnen kein Wort mehr.

Da Griechenland seit 1981 Mitglied der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist, würde sein Absturz voll auf den Euro durchschlagen. Schon die pure Möglichkeit reichte aus, um den Euro gegenüber dem Dollar seit Anfang Dezember um mehr als zehn Prozent in die Knie zu zwingen.

Deutsche Banken haben Forderungen in Höhe von 70 Milliarden Euro

Deutschen Banken schuldet Griechenland 70 Milliarden Euro. Ein Kreditausfall in dieser Größenordnung ließe sofort deren Aktienkurse und Bonitäten einbrechen, würde vielleicht sogar neuerliche Staatshilfe für Banken erzwingen. Industrie-Präsident Hans-Peter Keitel brachte die Lage in der vergangenen Woche vor der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf auf den Punkt: "Wegen der unkalkulierbaren Kettenreaktionen können wir uns das jetzt, unmittelbar nach der Finanzkrise, schlichtweg nicht leisten."

Aber was tun? Kredite oder Geldgeschenke seitens der EU verbietet der Vertrag von Maastricht. Mit Recht. Keitel: "Damit würde eine gefährliche Präzendenz geschaffen." Gefährlich, weil andere Problemkandidaten wie Spanien oder Italien sich dann auf der neuen Möglichkeit ausruhen könnten, anstatt ihre eigenen Schulden in den Griff zu bekommen.

Vereinzelt tauchen in Deutschland und Frankreich auch Forderungen nach Direkthilfen auf — was am Widerstand der Steuerzahler scheitern dürfte. Und dass die internationalen Banken Griechenland weitere Kredite geben, scheint inzwischen auch unwahrscheinlich.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schlug gestern die Gründung einer europäischen Schuldenfeuerwehr vor, die heute Griechenland und morgen auch anderen EU-Staaten in Schieflage helfen könnte: Nach dem Vorbild des Internationalen Währungsfonds (IWF) soll ein solcher europäischer Währungsfonds aus Einlagen der Mitglieder Finanzhilfen gewähren, im Gegenzug aber eben wie der IWF auch innenpolitische Reformen erzwingen können.

Internationaler Währungsfonds als Vorbild

Der IWF, 1944 gegründet, ist einer der wenigen machtvollen Ableger der Uno. Auch, weil er sich deren Kontrolle entzieht und so nicht in den unberechenbaren internationalen Abstimmungsmühlen der Uno zerrieben wird: Der IWF ist erklärtermaßen ausschließlich westeuropäisch und US-amerikanisch dominiert — was ihm allerdings auch stets die Kritik mangelnder demokratischer Legitimation einbringt.

Demokratische Strukturen und effizientes Handeln lassen sich offenbar nicht immer zur Deckung bringen. In internationalen Zusammenhängen ist Politik eben auch deshalb langsamer als die Wirtschaft, weil ihre Ziele komplexer sind. Unternehmen wollen vor allem Geld verdienen. Das ist leichter umzusetzen, als Wohlstand plus Frieden plus Freiheit plus Gerechtigkeit plus Demokratie. Die Frage ist also auch, ob Griechenland genug Zeit hat, um auf eine politisch korrekte und international ausdiskutierte Form der Hilfe zu warten.

(RP)
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