Nachrichtendienste USA gehen von weiterem Whistleblower aus

Washington · Offenbar gibt es mehr als einen Whistleblower in den Reihen der US-Geheimdienste: Edward Snowden hat den USA mit seinen Enthüllungen schwer zugesetzt. Anscheinend gibt es jetzt noch einen Enthüller der ähnlich zuschlägt.

 Die Äußerungen von Glenn Greenwald weisen darauf hin, dass es weitere undichte Stellen geben könnte.

Die Äußerungen von Glenn Greenwald weisen darauf hin, dass es weitere undichte Stellen geben könnte.

Foto: afp, LIA DE PAULA

Der Nachrichtensender CNN berichtete am Dienstag unter Berufung auf US-Regierungskreise, dass die jüngsten Veröffentlichungen auf der Enthüllungswebsite "The Intercept" auf eine neue undichte Stelle hindeuten würden. Die vom US-Journalisten Glenn Greenwald gegründete Website macht derzeit Details zu den Datenbanken öffentlich, in denen die US-Behörden Terrorverdächtige führen.

Ende Juli hatte "The Intercept" die teils vagen und willkürlichen Kriterien enthüllt, nach denen Menschen auf die US-Terrorliste gelangen können. Am Dienstag legte die Website nach und veröffentliche Informationen über das Ausmaß der Datenbanken. "The Intercept" beruft sich dabei auf ein Geheimdienstpapier vom August 2013 - also nachdem Snowden seine Arbeitsstelle in Hawaii als IT-Spezialist für den Geheimdienst NSA bereits verlassen hatte.

"Geheimdienstquellen"

Nach eigenen Angaben erhielt die Enthüllungswebsite das Dokument zu den Terrorlisten von einer nicht näher identifizierten "Geheimdienstquelle". Dagegen hatte "The Intercept" in der Vergangenheit immer kenntlich gemacht, wenn ein Bericht auf Snowden-Dokumenten basierte. Der frühere NSA-Mitarbeiter hatte nach seiner Flucht Ende Mai nach Hongkong brisante Geheimdienstpapiere an Greenwald übergeben, der diese an verschiedenen Medien weiterleitete und seit Anfang des Jahres auch auf "The Intercept" publizierte. Snowden erhielt vergangenen Sommer in Russland politisches Asyl.

Die am Dienstag auf "The Intercept" veröffentlichten vertraulichen Dokumente zeigen, dass die USA mindestens 680.000 Menschen auf einer TSDB (Terrorist Screening Database) genannten Liste als "bekannte oder mutmaßliche Terroristen" führen. Davon seien 280.000 Menschen aber gar keiner als Terrororganisation eingestuften Gruppierung wie Al Qaida, Hisbollah oder den Taliban zugehörig. Medienberichte, wonach alleine in den vergangenen fünf Jahren 1,5 Millionen Menschen auf die Terrorliste gesetzt worden seien, sind laut "The Intercept" aber nicht korrekt. Die Daten seien falsch interpretiert worden.

In einer weiter gefassten Datenbank mit potenziellen Extremisten, genannt TIDE (Terrorist Identities Datamart Environment), sollen unterdessen eine Million Namen verzeichnet sein. Als besonders gefährlich eingestufte Verdächtige setzen die Behörden auf die sogenannte No-Fly-Liste, die Betroffene vom Flugverkehr in den Vereinigten Staaten ausschließt. Die Zahl der Namen auf dieser Liste habe sich seit dem Amtsantritt von Präsident Barack Obama Anfang 2009 mehr als verzehnfacht und liege bei 47.000, berichtete "The Intercept". Vor den Anschlägen vom 11. September 2001 hätten gerade einmal 16 Menschen auf der No-Fly-Liste gestanden.

Im vergangenen Monat hatte "The Intercept" berichtet, wie leicht Menschen ins Visier der US-Terrorfahnder geraten können. Bereits ein nicht näher zu begründender "angemessener Verdacht" reicht demnach aus, um auf die Liste potenzieller Extremisten gesetzt zu werden. "Unwiderlegbare Beweise" oder "konkrete Fakten" seien "nicht nötig", bestimmt das Regelwerk. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit herauszufinden, ob sie auf der Liste stehen.

Die 166 Seiten lange Anweisung des US-Terrorabwehrzentrums NCTC mit dem Titel "Watchlisting Guidance" (etwa: Leitlinie für Überwachungslisten) vom März 2013 richtet sich laut "The Intercept" an zahlreiche US-Sicherheitsbehörden wie die CIA und die NSA, die potenzielle Extremisten für die Aufnahme in die Datenbanken vorschlagen. Den neuen Enthüllungen am Dienstag zufolge werden jeden Tag 240 "Nominierungen" bearbeitet.

(AFP)
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