Oslo Wird Angela Merkel heute der Friedensnobelpreis verliehen?

Oslo · Die in der Flüchtlingskrise so aufrechte deutsche Bundeskanzlerin, ein Papst, der die Welt auf den Kopf stellt, ein saudischer Blogger oder doch jemand ganz anderes: Das norwegische Nobelpreiskomitee will am Freitag verkünden, wer den diesjährigen Friedensnobelpreis erhält.

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Bislang drangen noch keine Informationen aus Oslo an die Öffentlichkeit, doch wird spekuliert, dass der starke Andrang von Flüchtlingen aus den Krisengebieten der Erde in Europa eine Rolle bei der Vergabe spielen könnte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird deshalb vor der Bekanntgabe am späten Vormittag (11 Uhr) zum Favoritenkreis gezählt. Die 61-Jährige wurde im September zum Gesicht eines offenen Europas, das Migranten aus Konfliktgebieten wie Syrien Zuflucht bieten möchte. Sie wurde vor dem Ablauf der Nominierungsfrist ursprünglich wegen ihres Versuches für den Preis vorgeschlagen, bei einem Frieden zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hält Merkel für eine würdige Trägerin des Friedensnobelpreises. "Sie hat den Friedensnobelpreis mehr verdient als Barack Obama", sagte Juncker am Donnerstag bei einem Podiumsgespräch der "Passauer Neuen Presse". Der US-Präsident hatte den Preis 2009 erhalten.

Eng mit der Flüchtlingskrise verknüpft ist auch der Geistliche Mussie Zerai aus Eritrea. Er hilft bei der Koordinierung der Rettungseinsätze der italienischen und maltesischen Küstenwachen. Nominiert wurde er für seine Rolle bei der Rettung verzweifelter Menschen auf dem Weg von Afrika nach Europa.

Laut Geir Lundestad, dem Ex-Sekretär des norwegischen Friedensnobelpreiskomitees, hat der Ausschuss von jeher eine Abneigung dagegen, die Auszeichnung einem Papst zu verleihen. Der Name Franziskus taucht dennoch immer wieder auf der Favoritenliste auf. Das katholische Kirchenoberhaupt wird weltweit für seinen Einsatz für die Armen geschätzt. Auch auf der diplomatischen Bühne erzielte er Fortschritte, etwa durch seine Vermittlung vor der historischen Annäherung zwischen Kuba und den USA. In seiner Umwelt-Enzyklika rief er zudem zum Kampf gegen den Klimawandel auf.

Der saudische Blogger Raif Badawi, der für seinen Aktivismus schon öffentlich ausgepeitscht wurde, könnte ebenso von dem Komitee mit dem Preis bedacht werden wie die kremlkritische russische Zeitung "Nowaja Gaseta". Und dann wären da noch die Chefunterhändler des Atomabkommens mit dem Iran, US-Außenminister John Kerry und sein iranischer Amtskollege Mohammed Dschawad Sarif. Experten vermuten allerdings, dass das Komitee in diesem Fall ein Jahr warten könnte, um zu sehen, ob der Atom-Deal auch wirklich umgesetzt wird.

Infos zum Friedensnobelpreis

Der Friedensnobelpreis wird seit 1901 jährlich vom norwegischen Nobelkomitee in Oslo vergeben. Grundlage ist das Testament des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Nach dem Willen des Industriellen und Dynamit-Erfinders soll ausgezeichnet werden, wer "am meisten oder am besten für die Verbrüderung der Völker gewirkt hat, für die Abschaffung oder Verminderung der stehenden Heere sowie für die Bildung und Verbreitung von Friedenskongressen".

Mit dem Preis an jährlich bis zu drei Einzelpersonen oder Organisationen wird seit 1960 auch der Einsatz für Menschenrechte und seit 2004 der Einsatz für die Umwelt geehrt. Während andere Nobelpreise in der schwedischen Hauptstadt Stockholm vergeben werden, wird die Auszeichnung für Frieden im norwegischen Oslo verliehen.

Die fünf Mitglieder des Friedensnobelpreis-Komitees sind Parteienvertreter entsprechend der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse im norwegischen Parlament. Sie werden für sechs Jahre ernannt. Derzeitige Vorsitzende ist die konservative ehemalige Handelsministerin Kaci Kullmann Five.

Die Preisträger werden jedes Jahr im Oktober bekanntgegeben. Bei der feierlichen Verleihung am 10. Dezember, dem Todestag Nobels, erhalten sie in Oslo eine Medaille, eine Urkunde und ein Preisgeld von acht Millionen schwedischen Kronen (derzeit umgerechnet knapp 860.000 Euro).

(ap)
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