Symbolischer Akt vor den Winterspielen? Putin will Pussy Riot Amnestie gewähren

Moskau · Beugt sich der russische Präsident dem westlichen Druck? Nach einer von Kremlchef Wladimir Putin bewilligten Amnestie bleibt trotzdem unklar, wann seine beiden inhaftierten Gegnerinnen von der Punkband Pussy Riot freikommen.

Schon an diesem Donnerstag würden Nadeschda Tolokonnikowa (24) und Maria Aljochina (25) die Straflager verlassen, twittert die Künstlergruppe Wojna. Es ist aber wohl nur eine Hoffnung auf das von der Staatsduma einstimmig abgesegnete Amnestie-Dekret Putins. Festlegen will sich in Moskau keiner.

Insgesamt bleibt der Gnadenakt aus Sicht von Menschenrechtlern und Juristen zwar deutlich hinter den Erwartungen zurück. Er ist aber wohl auch ein Zugeständnis an den Westen kurz vor der Eröffnung der ersten russischen Winterspiele in dem Schwarzmeerkurort Sotschi am 7. Februar 2014. Immerhin verzichteten aus Protest gegen die Menschenrechtslage hier bereits mehrere prominente westliche Politiker auf eine Reise zu "Putins Spielen". Bundespräsident Joachim Gauck wird ebenfalls nicht an die Riviera des Ostens reisen.

Bürgerrechtler meinen, dass von der Amnestie nur "Leichtgewichte" unter den Putin-Gegnern profitieren werden - etwa wegen "Rowdytums" Angeklagte oder Verurteilte. Nutznießer sollen nicht zuletzt Aktivisten der Umweltorganisation Greenpeace sein. Sie hatten im September an einer staatlichen russischen Ölplattform gegen Umweltzerstörung in der Arktis protestiert. Ihre Festnahme löste international Entsetzen aus.

Inzwischen sind die 30 Männer und Frauen aus vielen Ländern zwar auf freiem Fuß, können aber wegen fehlender Visa das Land nicht verlassen. Ob die Aktivisten noch vor Weihnachten wieder zu ihren Familien können, das dürfte sich noch diese Woche entscheiden. Putin tritt am Donnerstag in einer mehrstündigen Medienkonferenz vor die Weltpresse. Der im Staatsfernsehen live gesendete Auftritt des Präsidenten ist ein beliebter Zeitpunkt für solche Nachrichten. Auch die jungen Mütter von Pussy Riot können hoffen.

Im Grunde aber haben die russischen Behörden sechs Monate Zeit, die Amnestie umzusetzen. Die Pussy-Riot-Aktivistinnen kämen auch ohne Gnadenerlass spätestens Anfang März auf freien Fuß. Der Gnadenakt sei jetzt eine elegante Gelegenheit für die Machthaber, in den als politisch kritisierten Verfahren gegen Pussy Riot und Greenpeace das Gesicht zu wahren, sagt Anwaltskammerpräsident Genri Resnik.

In der kremlkritischen Zeitschrift "The New Times" meint der prominente Jurist, dass die Amnestie für die Justiz ein Kompromiss sei. Ein offenes Fehler-Eingeständnis sei nicht möglich. Dabei hatte der Oberste Gerichtshof das Straflager-Urteil gegen Pussy Riot in der vergangenen Woche gerügt und einen neuen Richterspruch angeordnet, der mildernde Umstände berücksichtigen soll.

Kremlgegner ärgern sich vor allem, dass Putins schärfste Kritiker weiter politisch kaltgestellt bleiben. Der seit zehn Jahren inhaftierte frühere Ölmilliardär Michail Chodorkowski kann ebenso wenig auf Gnade hoffen wie der Oppositionelle Alexej Nawalny. Dessen Urteil von fünf Jahren Straflager ist zur Bewährung ausgesetzt.

Von den ursprünglichen Vorschlägen und Plänen des Menschenrechtsrats im Kreml sei kaum etwas übriggeblieben, kritisiert die frühere Verfassungsrichterin Tamara Morschtschakowa. Auch die Chance für eine Reform des aus Sowjetzeiten stammenden menschenverachtenden Straflagersystems sei vertan. "Es besteht die Gefahr, dass dies nur die Parodie einer Amnestie wird", meint der Menschenrechtler Lew Ponomarjow in Moskau.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort