Prozessauftakt gegen Bürgerrechtler Xu Zhiyong — Kämpfer gegen Chinas Korruption

Peking · Staats- und Parteichef Xi Jinping hat der Korruption unter Chinas Funktionären den Kampf angesagt – eigentlich. Denn der Prozess, der am Mittwoch in Peking startete, wirft diesbezüglich Fragen auf. Vor Gericht steht der Bürgerrechtler Xu Zhiyong, der ebenfalls gegen Korruption kämpft.

 Diese Bild zeigt Xu Zhiyong während seiner Haft.

Diese Bild zeigt Xu Zhiyong während seiner Haft.

Foto: dpa, Zhang Qingfang

Staats- und Parteichef Xi Jinping hat der Korruption unter Chinas Funktionären den Kampf angesagt — eigentlich. Denn der Prozess, der am Mittwoch in Peking startete, wirft diesbezüglich Fragen auf. Vor Gericht steht der Bürgerrechtler Xu Zhiyong, der ebenfalls gegen Korruption kämpft.

Weiträumig ist der Platz rund um das Gerichtsgebäude in Peking abgeriegelt. Überall sind Absperrbänder zu sehen — und dutzende Bereitschaftspolizisten. Gegen die Demonstranten, die für eine Offenlegung der Vermögen der chinesischen Funktionäre und für die Freilassung von Xu Zhiyong protestieren, gehen sie vor. Laut den Unterstützern des Angeklagten wurden mindestens drei Regierungsgegner festgenommen. Selbst ausländische Journalisten werden abgedrängt.

Es sind Bilder, die so gar nicht zur offiziellen Leitlinie der Staatsführung passen wollen: Wirtschaftsreformen und Kampf gegen die Korruption. Denn vor Gericht steht ein Juradozent, der genau dagegen kämpft. Doch nun muss er sich unter anderem wegen "Störung der öffentlichen Ordnung" vor Gericht verantworten. Ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft. Er war zusammen mit Dutzenden Aktivisten festgenommen worden, die sich für mehr Freiheiten eingesetzt hatten.

Vor zehn Jahren noch hochgelobt

Schon im Vorfeld hatte es enorme Kritik gegen den Prozess gegeben. Roseann Rife von Amnesty International etwa sagt: Entgegen des Versprechens von Staatspräsident Xi Jinping gegen Korruption vorzugehen, sehen wir ein brutales Vorgehen gegen die, die Korruption aufdecken wollen."

Dabei war die Staatsführung vor zehn Jahren Xu noch gut gesinnt. Die Staatsmedien feierten ihn als leuchtendes Beispiel, etwa, wie die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, als er sich für die Opfer von verseuchtem Milchpulver einsetzte. Das Fernsehen kürte ihn zu einem der zehn führenden Juristen des Landes. Sogar ins Lokalparlament eines Pekinger Stadtteils, so die Zeitung, sei er als Unabhängiger gewählt worden.

Inzwischen aber ist er der wichtigste Bürgerrechtler Chinas, seit Liu Xiaobo verurteilt worden ist. Der Bruch mit dem Regime kam mit der 2012 ins Leben gerufenen "Bewegung der neuen Bürger", einer lockeren Gruppierung von Intellektuellen, die gegen Ungerechtigkeit, Korruption und Machtmissbrauch kämpft. Xu war der Kopf der Bewegung, argumentierte stets, dass man im Rahmen der Verfassung agiere. Doch der politischen Führung des Landes war die Bewegung ein Dorn im Auge. In einer Online-Petition etwa hatte die Gruppe gefordert, dass die Funktionäre Chinas ihre Vermögen offenlegen.

Berufsverbot und Hausarrest

Den langen Arm des Regimes bekam Xu so schnell zu spüren: Er durfte schon länger vor seiner Verhaftung nicht mehr als Juradozent arbeiten, stand für drei Monate unter Hausarrest. Sein letzter Appell aus dem Gefängnis vor dem Protest: "Diese Land braucht mutige Bürger, die ihren Glauben behalten und ihre Rechte, Verantwortungen und Träume ernst nehmen."

Vor Gericht aber schwieg er ebenso wie sein Anwalt. Und die beiden wollen dies auch weiterhin tun, weil sie sich weigerten, an dem "Schauspiel" teilzunehmen. Auch politische Beobachter sehen den Prozess mehr als kritisch. "Das sind gemäßigte Bürgerrechtler und keine Hardcore-Aktivisten", sagt etwa Kristin Shi-Kupfer vom Berliner Mercator Institute for China Studies der Nachrichtenagentur dpa. Und sie fügt hinzu: "Das ist ein Zeichen von Unsicherheit. Die Machtkonsolidierung ist offensichtlich noch nicht abgeschlossen."

Die Staatsführung sende mit dem Vorgehen gegen Xu und mehr als 60 weitere Bürgerrechtler eine deutliche Botschaft an die Eliten des Landes: "Wir wollen keine organisierte Kritik." Zumal immer wieder neue Berichte über Korruption von Funktionären ans Tageslicht kommen — so wie am Tag des Prozessbeginns gegen Xu. Denn laut Medienberichten sollen Politikerfamilien und Geschäftsleute in China gewaltige Vermögen in Steueroasen horten.

(das/dpa/afp)
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