Abstimmung über Krankenversicherung Bringt Obamacare Trump an seine Grenzen?

Washington · Die Abschaffung von "Obamacare" stand bis zuletzt Spitz auf Knopf. Sie kann zum frühen Sinnbild für die Präsidentschaft Donald Trumps geraten. Für seine frühen Grenzen - oder für seine Macht.

 US-Präsident Trump ist wenig begeistert über die Diskussionen zur gepanten Abschaffung von Obamacare.

US-Präsident Trump ist wenig begeistert über die Diskussionen zur gepanten Abschaffung von Obamacare.

Foto: rtr, KL /TC

Es ist der bisher größte Test für den selbsterklärten weltgrößten Verhandler. Zwei Monate nach seinem Amtsantritt lernt Donald Trump, dass Wahlkampf und Regieren zweierlei Paar Schuhe sind. Dass Dekrete zu unterschreiben leicht ist, aber Gesetze zu zimmern mitunter vertrackt.

"Obamacare abschaffen und ersetzen!" - das war einer der lautesten Schlachtrufe im Wahlkampf. Ein zentrales Anliegen der Republikaner. "Obamacare" - die Gesundheitsreform von Trumps Vorgänger Barack Obama - ist vielen verhasst. Der epochale, wenn auch mit Fehlern behaftete Einstieg in ein echtes Sozialsystem, er ist der Partei zu viel Staat.

Wenn jemand fragte: "Ersetzen, womit?" gaben die Republikaner jahrelang vor, sie hätten eine schlüsselfertige Alternative zu "Obamacare". In seiner Rede an den Kongress verkündete Trump zuletzt leutselig, ein neues Gesetz mit seiner Handschrift werde mehr Leute versichern, die Selbstbeteiligung reduzieren und den Versicherten mehr Wahlfreiheit einräumen.

Das wäre wohl möglich. Aber nicht mit dem Plan der Republikaner. Denn um all das zu erreichen, müssten Steuern erhöht, mehr Gelder in das Gesundheitssystem gepumpt werden. Der Gesetzentwurf der Republikaner will genau das Gegenteil. Binnen zehn Jahren würden 24 Millionen ihre Versicherung verlieren, sagt eine unabhängige Kongressschätzung. Und die Verbleibenden wären viel schlechter abgesichert.

Für Trump geht es mit diesem Gesetz um sehr, sehr viel. Seinen Republikanern knallt er eine nackte Drohung vor den Bug: Stimmt zu, oder wir lassen alles beim Alten. Das ist ein sehr riskantes Spiel, brachte der Verlauf der Gesetzgebung doch interessante Einsichten.

Trump, schreiben die "New York Times" und andere, habe das Thema zu spät richtig ernst genommen. Als eine Art Bruder Leichtfuß im Oval Office müsse er nun einsehen: Echte Politik ist schwierig. Dazu geben auch die Republikaner kein gutes Bild ab, sind in mehrere Fraktionen zerrissen. Während die einen "Obamacare" vollständig in Luft auflösen wollen, bekommen Moderate kalte Füße - zu scharf war der Wind, der ihnen zuhause in ihren Wahlkreisen entgegenschlug.

"Das Scheitern dieser Gesetzgebung droht Trumps gesamte Wirtschaftsagenda zum Entgleisen zu bringen", sagt Steve Bell vom Think Tank Bipartisan Policy Center dem Sender CNN. "Die Balkanisierung der Republikaner wird sich fortsetzen. Und Trump ist ein Bleianker am Hals einigere Abgeordneter."

Schon jetzt spielen die "Midterms" eine Rolle, die Kongresswahlen 2018. Vielen Abgeordneten wird das eigene Hemd näher sein als der Hermelin des Präsidenten. Das ist nach der Präsidentenwahl zwar immer so, aber noch nie war es das so früh.

Für Abgeordnete und Senatoren, die 2018 zur Wiederwahl stehen, sind 37 Prozent Zustimmung für Trump nicht der allerbedrohlichste Hammer, den der Präsident schwingen kann. Dazu ergab eine Quinnipiac-Umfrage nur 17 Prozent Zustimmung für das von Trump unterstützte Gesetz. Dem sollen sie zustimmen?

Wenn Trump das Gesetz durchbekommt, wird keiner mehr fragen, wie. Gelingt es nicht, ist das ein echter Schiffbruch. Denn wenn er schon das nicht schafft, sagen "Politico", MSNBC und andere, wie soll das dann erst mit der ungleich schwierigeren Steuerreform werden, mit den Handelsverträgen - oder einem neuen Verhältnis zu Russland? Das Image des Machers, dem alles gelingt, steht auf dem Spiel. Ein Scheitern würde auch die Republikaner nochmals mächtig durchrütteln.

Trump wird vorgehalten, einen schlampigen Gesetzentwurf zu spät und zu halbherzig zu unterstützen, und die Kraft seiner Präsidentschaft einfach nicht auf die Straße zu bekommen. Dafür bot Trump selbst ein unfreiwilliges Sinnbild.

Eine Abordnung von Truckern hatte er ins Weiße Haus geladen, bestieg sodann in strahlender Sonne das Führerhaus eines mächtigen Trucks. Wie ein kleiner Junge krallte er sich das große Lenkrad, sah mit aufgerissenem Mund nach vorne und drückte ordentlich auf die Hupe. Es geschah: nichts. Dann stieg er wieder aus.

(dpa)
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