Wolfsburg Autobauer unter Kartellverdacht

Wolfsburg · VW, Daimler und BMW sollen sich bei der Abgas-Reinigung abgesprochen haben, die Aktien sacken ab. Zugleich ruft Audi 850.000 Autos zurück. VW-Chef Müller fordert von Politikern, Fahrverbote zu verhindern.

Der Abgasskandal weitet sich aus. Deutsche Autobauer sollen sich nach einem Bericht des "Spiegel" über die Abgasreinigung beim Diesel und weitere Technikstandards abgesprochen haben. VW und Daimler hätten dazu im Sommer 2016 eine Art Selbstanzeige bei Wettbewerbsbehörden eingereicht, heißt es. Darin soll VW selbst den Verdacht geäußert haben, die Absprachen mit Audi, Porsche, BMW und Daimler seien "kartellrechtswidriges Verhalten". Die Anleger reagierten verschreckt: Die Aktie von Volkswagen fiel gestern zeitweise um 4,8 Prozent, die von Daimler und BMW um drei Prozent.

Seit den 90er Jahren hätten sich mehr als 200 Mitarbeiter in über 60 Arbeitsgruppen über Kosten, Zulieferer und Strategien abgestimmt, so der "Spiegel". Auch die Auswahl von Lieferanten und Preise von Bauteilen seien Thema gewesen. Die Kartellbehörden seien auf die Hinweise gestoßen, als sie im Rahmen von Ermittlungen zu Stahlpreisen die Räume von VW durchsucht hätten.

Danach sollen die Hersteller auch über die Größe der Adblue-Tanks beraten haben. Adblue ist eine Harnstoff-Lösung, die die Stickoxide der Diesel neutralisiert. Da große Tanks teuer und sperrig sind, sollen sich die Hersteller auf kleine Tanks verständigt haben. Der Verdacht: Um zu verhindern, dass die Fahrer Adblue oft nachtanken müssen, habe man die Einspritzung reduziert. Das wiederum verschlechtert die Abgaswerte, weshalb man bei der Messung trickste.

"Zu Spekulationen und Sachverhaltsvermutungen auf Grundlage der 'Spiegel'-Berichterstattung äußern wir uns nicht", sagte Volkswagen-Chef Matthias Müller im Interview mit unserer Redaktion. Daimler erklärte, man äußere sich grundsätzlich nicht zu Spekulationen.

Nun wächst der Druck. Am 2. August treffen sich Vertreter der Bundesregierung mit den Konzernchefs zum nationalen Diesel-Gipfel. Müller ist bereit, weitere Diesel freiwillig nachzurüsten, erwartet im Gegenzug aber eine Absage an Fahrverbote. "Ich erwarte vor allem, dass es auf Bundesebene eine Lösung gibt, die für unsere Kunden Verbindlichkeit herstellt. Wenn die Behörden den Kunden keine Zusicherung geben, dass sie weiter mit ihrem Diesel in die Städte dürfen, können wir nachrüsten, so viel wir wollen", sagte er. Fahrverbote seien falsch, das Auto nur ein Teil des Problems.

Der Konzern kündigte gestern an, weitere Diesel freiwillig nachzurüsten. "Insgesamt können bis zu 850.000 Autos, die mit dem Sechszylinder- und Achtzylinder-Dieselmotor ausgestattet sind (V6/V8 TDI, Euro5/Euro6), eine neue Software bekommen", erklärte Audi. Zu den Fahrzeugen gehören vor allem Modelle von Audi selbst, aber auch Modelle von Volkswagen und Porsche, die mit baugleichen Motoren ausgerüstet sind. Die Kunden werden angeschrieben, das Update in der Werkstatt soll 20 Minuten dauern und kostenlos sein. Großzügige Entschädigungen deutscher Kunden wie in den USA soll es aber nicht geben. Die Lage dort sei eine andere, so der VW-Chef.

Zugleich will Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die Hersteller verpflichten, in einen Fonds zur Förderung von umweltfreundlicher Mobilität einzuzahlen.

(RP)
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