Thailand Bangkok verbannt seine traditionellen Garküchen

Bangkok · Die Ordnungswut der thailändischen Behörden droht der Stadt eines ihrer sympathischsten Markenzeichen zu nehmen.

Das Nudelgericht Phat Thai ist auf den Straßen von Bangkok ebenso zur Institution geworden wie die scharfe Tom-Yam-Suppe. Doch nun soll den traditionellen Garküchen der Garaus gemacht werden: Die in Bangkok regierende Militärjunta will die Bürgersteige der chaotischen Hauptstadt räumen lassen. Die Imbissstände mit ihren Klapptischen und wackeligen Plastikhockern sollen weichen.

Sparsamen Einheimischen wie experimentierfreudigen Touristen droht damit ein großer Verlust der kulinarischen Vielfalt. "Street Food ist ein wichtiger Teil des Alltags", sagt der 29-jährige Börsenmakler Nont Nontiskul, der seit mehr als zehn Jahren auf der Bangkoker Vergnügungsmeile Thonglor wohnt. "Selbst Leute, die jeden Tag in teuren Restaurants essen, können nicht auf Street Food verzichten. Es geht schneller, schmeckt besser und kostet weniger als die Hälfte."

Für die Stadtverwaltung zählen solche Argumente wenig. Sie sieht in den Garküchen ein illegales Ärgernis und wies die Betreiber auf der Thonglor-Straße an, ihre Stände zu räumen. Die Zwangsschließungen sollen bald auf weitere Bezirke ausgeweitet werden. Sie sind ein Teil einer großangelegten Aufräumkampagne der seit einem Putsch 2014 regierenden Junta, die sich nicht nur gegen Korruption, Prostitution und Umweltverschmutzung richtet, sondern ebenso gegen überfüllte Bürgersteige.

Im Zuge der Kampagne gingen die Behörden in den vergangenen Monaten unter anderen gegen Straßenmärkte, Sonnenschirme am Strand und überteuerte Lottoscheine vor. Viele Aktionen erwiesen sich zwar als kurzlebig. Doch die Hauptlast tragen nach Ansicht von Beobachtern die Armen, die vielfach die gestürzte Regierung und deren populistische Politik unterstützt hatten. Auch die Räumung der Gehwege wird die Verkäufer und ihre Kunden aus der Arbeiterklasse am härtesten treffen.

Der offizielle Grund für die Maßnahme ist der Kampf gegen Staus und Müll auf den Straßen, wie der zuständige Verwaltungschef Boontham Huiprasert sagt. Von der ersten Räumungsetappe waren etwa 90 Händler auf der Thonglor-Straße betroffen. Bei Missachtung der Anordnung droht ihnen ein Bußgeld bis zu 2000 Baht (55 Euro). "Verkauft einfach nicht mehr auf den Bürgersteigen", sagte Boontham. "Wer dort sein Zeug verkauft, zahlt keine Miete. Es gibt jetzt so viele Händler da draußen, dass wir Ordnung schaffen müssen."

Die Betreiber der Garküchen sagen dagegen, dass sie sehr wohl Miete abgeben müssen: in Form von schwarzen Bargeldzahlungen an Beamte der Stadtverwaltung, die häufig Verbindungen zu Polizei oder Militär haben. Einer der Händler ist Suchin Wannasutr, der seit mehr als 20 Jahren auf der Thonglor-Straße geschmorte Schweinekeule, Kao Ka Moo, für 40 Baht verkauft. Er sagt, er habe sich immer gewissenhaft bemüht, die von ihm monatlich verlangten 1000 Baht pünktlich zu zahlen. Auch Betreiber von Nachbarständen nennen diese Summe. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Bangkoks blühende Schattenwirtschaft so funktioniert. Boontham jedoch behauptet, ihm sei nichts von solchen Zahlungen bekannt.

Suchin will angesichts der Schließung seines Minikiosks nun in eineinhalb Kilometern Entfernung ein echtes Restaurant eröffnen. Die Miete in Höhe von 35.000 Baht teilt er sich mit drei anderen Straßenhändlern. "Ich muss in der Gegend bleiben, weil ich hier Stammkunden habe", erklärt er. "Ich tue alles, was ich kann, um meine Tochter durch die Schule zu bringen. Wenn sie ihren Abschluss hat, werde ich aus Bangkok wegziehen. Das Leben hier ist zu hart."

Kritiker befürchten wegen dieser Entwicklung einen Niedergang der einzigartigen, chaotischen Kultur, die die Seele Bangkoks ausmacht. Sie fordern die Regierung auf, Kleinunternehmer wie die Garköche besser zu unterstützen anstatt sie mit immer mehr Auflagen zu drangsalieren. Doch die Behörden wollen lieber Platz schaffen für den Bau von Eigentumswohnungen, Einkaufszentren und Bürotürmen. Wenn sie ihre Kampagne gegen die Essensstände durchziehen, wird es auch für Touristen bald keine frittierten Würmer, gegrillte Schweine-Innereien oder stinkende Durianfrüchte mehr geben.

Dass stattdessen künftig hippe Bars und schicke Restaurants Essen in Plastiktüten ausgeben, ist denkbar unwahrscheinlich. "Ich habe das Gefühl, meine Arbeit zu verlieren, und keine Ahnung, was ich als Nächstes tun soll", sagt Ubolwattana Mingkwan, die auf der Vergnügungsmeile Kaffee für 30 Baht pro Tasse verkauft. Die Mieten an der Thonglor-Straße kann sie sich nach eigenen Worten nicht mehr leisten.

(ap)
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