Moskau Zwei Despoten, eine Meinung

Moskau · Bei einem überraschenden Treffen im Kreml präsentieren sich Wladimir Putin und Baschar al Assad als Waffenbrüder.

Baschar al-Assad besucht Präsident Wladimir Putin in Moskau
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Baschar al-Assad besucht Wladimir Putin in Moskau

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Foto: ap

Für Wladimir Putin ist es schon zur Gewohnheit geworden. Der Kreml-Chef liebt es, alle Welt zu überraschen. Gestern gelang ihm dies mit der Blitzvisite des syrischen Präsidenten Baschar al Assad in Moskau. Schon am Dienstagabend muss der Syrer angereist sein. Als der Kreml dies dann gestern Morgen kundtat, soll Assad schon wieder zurück in Damaskus gewesen sein. Der russische Nachrichtensender Rossija 24 zeigte zehn Minuten des "Arbeitstreffens". Zwar zeigten Fotos eine betont freundliche Begrüßung, auf späteren Aufnahmen lässt aber Putin nicht den Anflug eines Lächelns erkennen, als er die Gründe des russischen Eingreifens in Syrien noch einmal darlegte. Gleich zu Anfang machte er außerdem klar, dass es der Kreml war, der Assad kurzfristig nach Moskau eingeladen hatte. "Einbestellt" wäre wohl treffender.

Der Moskau-Besuch des syrischen Präsidenten ist Ausdruck der dank der russischen Militärhilfe gewachsenen Zuversicht der syrischen Regierung: Seit 2011 hatte Assad keinen Auslandsbesuch mehr riskiert. Mit der Visite demonstrierte er auch seinen Anspruch auf eine Rolle bei Verhandlungen über die Zukunft Syriens. Zudem zeigte der Besuch, dass Russland wohl zunächst an Assad festhalten will.

Vor dem Beginn der russischen Militärintervention Ende September waren Assads Truppen in die Defensive geraten. Inzwischen verzeichnen sie aufgrund der russischen Luftangriffe auf die Positionen diverser Rebellengruppen wieder Geländegewinne. Auch im Süden und im Osten der nordsyrischen Wirtschaftsmetropole Aleppo bombardierten russische Jets in den vergangenen Tagen die Stellungen der Rebellen sowie der Terrormiliz Islamischer Staat.

Nach türkischen Pressemeldungen haben sich bereits 50.000 Menschen aus der umkämpften Gegend auf den Weg Richtung Türkei gemacht, deren Grenze rund 50 Kilometer nördlich von Aleppo verläuft - weitere 300.000 könnten bald folgen. Vor dem Krieg war Aleppo das wirtschaftliche Zentrum Syriens und die größte Stadt des Landes mit mehr als zwei Millionen Einwohnern. Eine neue Fluchtwelle in die Türkei könnte die Wanderungsbewegung der Syrer in Richtung Europa weiter verstärken.

Die Flüchtlingskrise lässt die türkische Regierung über neue Wege zu einer Lösung des Syrien-Konflikts nachdenken. Mehrere Medien zitierten hochrangige türkische Regierungsvertreter mit den Worten, Ankara sei nun bereit, einen Machtverbleib von Assad für eine sechsmonatige Übergangszeit zu akzeptieren. Die USA wollen den Vorschlag demnach mit Russland diskutieren. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte dazu, die Regelung müsse sicherstellen, dass Assad am Ende aus dem Amt scheide.

Im Gespräch mit Putin bedankte sich Assad für die russische Intervention, die einen weiteren Vormarsch der als "Terroristen" bezeichneten Feinde gestoppt habe. Der Kampf müsse weitergehen und sei die Voraussetzung für eine politische Lösung des Konflikts. Putin betonte, Russland wolle über das militärische Engagement hinaus auch den "politischen Prozess" in Syrien unterstützen, "im Einklang mit den anderen Großmächten".

Niemand weiß, ob im Kreml Rückzugsszenarien für Assad entworfen wurden, die Moskau auf längere Sicht die jüngst erzielten taktischen Vorteile in der Region sichern könnten. Ein Exil für Assad hält der Politologe Behlük Özkan von der Istanbuler Marmara-Universität jedenfalls für Wunschdenken. Selbst als es 2013 und 2014 schon sehr schlecht stand um das Assad-Regime, sei der Präsident nicht gewichen - "warum sollte er jetzt gehen?"

Wie auch immer - Moskau ist darauf angewiesen, dass die herrschende Elite Syriens auch in einer neuen Regierungskonstellation tonangebend bleibt. Ansonsten wird Russland nicht nur Militärbasen verlieren - auch die sunnitische Mehrheit in der Region dürfte sich gegen einen Verbleib der Russen wehren. Nur ein militärischer Sieg könnte diese Entwicklung abwenden. Der ist jedoch - wenn überhaupt - nur mit Bodentruppen zu erringen, vor deren Einsatz der Kreml aber nach den Erfahrungen im Afghanistan-Krieg bislang zurückzuckt. Hätten Russlands Militärs alleine zu entscheiden, wäre die Infanterie trotzdem schon längst ausgerückt, meinen Beobachter in Moskau. Der Druck auf den Kreml seitens der Armee soll wachsen. Russlands Führung scheint jedoch keine klare Strategie zu verfolgen.

(RP)
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