Karlsruhe Bausparer verlieren vor dem BGH

Karlsruhe · Der Bundesgerichtshof erklärt die Kündigung zuteilungsreifer Bausparverträge für rechtens. Betroffen sind rund 250.000 Kunden. Die Bausparkassen atmen auf, Verbraucherschützer sind enttäuscht.

Der Streit um die Kündigung alter Bausparträge mit höheren Zinsen ist höchstrichterlich entschieden. Er endete mit einer Niederlage für die Bausparer. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Bausparkassen die entsprechenden Verträge kündigen dürfen, sobald zehn Jahre seit der sogenannten Zuteilungsreife vergangen sind. Betroffen sind Schätzungen zufolge etwa 250.000 Kunden. Deren Hoffnungen, doch noch weiter attraktive Sparkonditionen bei den Kassen nutzen zu können, sind mit dem Urteil nun endgültig geplatzt. (Az.: XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16)

In den verhandelten Fällen hatten zwei Wüstenrot-Kunden geklagt, deren Verträge mit drei und 4,5 Prozent verzinst worden waren. In einem Fall stammte der Vertrag aus dem Jahr 1978. Das Oberlandesgericht Stuttgart hatte ihnen recht gegeben, während andere Berufungsgerichte zugunsten der Bausparkasse entschieden hatten.

Formell hat der BGH sein Urteil mit dem Paragrafen 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch begründet. Danach kann ein Darlehensnehmer "in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kündigen". Die etwas komplizierte Auslegung: Im Fall der Bausparverträge ist die Bausparkasse der Darlehensnehmer, solange die Sparphase des Kunden läuft. Der "vollständige Empfang des Darlehens" ist erreicht, wenn der Vertrag zuteilungsreif ist.

In den vergangenen Jahren hatten die Anbieter Verträge gekündigt, die vor vielen Jahren mit einem Sparzins von mitunter mehr als drei Prozent abgeschlossen worden waren. Die Kunden nutzten diese Verträge zuletzt zunehmend nur wegen der hohen Guthabenzinsen, die es in der Niedrigzinsphase anderswo kaum gab, ließen ihren Anspruch auf ein Darlehen aber unangetastet, weil Baukredite bei anderen Anbietern zu ähnlich günstigen, im Einzelfall sogar zu besseren Konditionen zu bekommen waren. Aus Sicht der Bausparkassen widersprach dies aber dem Kollektivgedanken, demzufolge Sparer erst in den Vertrag einzahlen und danach ein Darlehen beanspruchen.

Die Anbieter hätten durch ein BGH-Urteil zugunsten der Bausparer die Verträge wieder aufleben lassen müssen. Das hätte in der Niedrigzinsphase einige Anbieter in arge Bedrängnis bringen können. Entsprechend groß war die Erleichterung in der Branche. "Verträge zu kündigen, macht alles andere als Freude. Umso wichtiger ist es, jetzt bestätigt zu bekommen, dass diese Kündigungen rechtmäßig erfolgt sind", sagte Andreas Zehnder, Vorstandschef beim Verband der privaten Bausparkassen. "99 Prozent der Bausparer haben gewonnen, weil das Urteil die Gemeinschaft stärkt", erklärte ein Sprecher der Landesbausparkasse LBS West (Münster) auf Anfrage unserer Redaktion. Die Bausparkasse hat etwa 2,6 Millionen Kunden. Von denen seien weniger als ein Prozent von den Kündigungen betroffen gewesen, sagte der Sprecher. Die gekündigten Verträge seien im Schnitt weitaus älter als 20 Jahre gewesen.

Enttäuscht reagierten die Verbraucherschützer. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg kritisierte: "Der Grundsatz der Vertragstreue wurde heute schwer erschüttert. Früher haben die Bausparkassen die Verträge als Geldanlage angepriesen. Jetzt werden die Verluste auf die Kunden abgewälzt. Das ist höchst ärgerlich für die Verbraucher."

(RP)
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