Markus Söder (CSU) im Interview Bayern macht sich Sorgen um Nordrhein-Westfalen

Der Finanzminister des Freistaats kritisiert, NRW zeige zu wenig Sparwillen - und regt Sanktionen für Bundesländer an, die weiter Schulden machen.

 Markus Söder (47) ist seit 2011 bayerischer Finanzminister.

Markus Söder (47) ist seit 2011 bayerischer Finanzminister.

Foto: dpa

Bayern nimmt seit Jahren keine neuen Schulden auf, Nordrhein-Westfalen wohl. Was läuft hier falsch?

Söder Ich bin besorgt über die Finanzsituation in Nordrhein-Westfalen. Deutschland braucht ein starkes Nordrhein-Westfalen. Wenn NRW strauchelt, kann der Rest das kaum aufwiegen. Es ist schon beachtlich, dass in Zeiten höchster Steuereinnahmen und niedrigster Zinsen Nordrhein-Westfalen finanziell Alarmstufe Rot meldet - und anders als sogar das Bundesland Berlin zu wenig Konsolidierungswillen erkennen lässt. Nordrhein-Westfalen sendet auch ein schlechtes Signal nach Europa aus. Wie sollen wir Griechen, Spaniern, Italienern, Franzosen erklären, dass sie sparen sollen, wenn das größte Bundesland schwächelt?

Sachsen fordert Sanktionen gegen Schuldenpolitik-Länder. Sie auch?

Söder Was in Europa mit dem Fiskalpakt gilt, kann auch für Deutschland gelten. Es dürfen nicht nur ab und zu mahnende Briefe an Schuldenmacher verschickt werden, sondern wir müssen überlegen, wie wir das Nichtbefolgen von Mahnungen wirksamer machen können.

Ein großes Thema sind die neu zu bestimmenden Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Was ist hier die Position des erfolgreichsten Bundeslandes?

Söder Wir brauchen dringend mehr Steuer-Autonomie. NRW will ja bekanntlich höhere Steuern. Das sollte NRW dann für sich beschließen dürfen. Wir allerdings fordern die Regionalisierung der Erbschaftsteuer, der Grundsteuer und auch von Teilen der Einkommensteuer.

Würde Bayern wie Österreich die Erbschaftsteuer abschaffen?

Söder Nicht abschaffen, aber deutlich reduzieren. Es gibt einen Steuerwettbewerb in ganz Europa und sogar in Deutschland bei der Gewerbesteuer. Das funktioniert auch. Es ist eine Stärkung des Föderalismus. Wir glauben, dass man mit Steuersenkungen am Ende mehr einnimmt, weil Steuersenkungen die Wirtschaftskraft stärken. Das sollte sich auch NRW überlegen. Wie wäre es damit, endlich einmal einen gemeinsamen Vorstoß zur Stärkung Deutschlands zu unternehmen? Bayern ist gesprächsbereit, hört aber zu oft ein Nein. Meine Meinung zum Thema Bund-Länder-Finanzen: nicht immer nur Geld vom Bund fordern, sondern sich endlich auf die eigenen Kräfte besinnen.

Von Solidarität des reichen Bayern mit Ländern wie Nordrhein-Westfalen halten Sie wohl nichts?

Söder Warum soll Bayern dauerhaft für eine unsolide Finanzpolitik aufkommen? Natürlich gibt es Unterstützung. Aber wir erwarten mehr Eigenleistung des Unterstützten. Das Landesverfassungsgericht hat dies ja mehr als deutlich gemacht.

Aus Mittelstand und Industrie hört man vermehrt Klagen über eine verblassende Wirtschaftskompetenz der Union. Wie besorgt sind Sie?

Söder Die Unionsparteien müssen ihr Profil auch aus nationalem Interesse schärfen. Wir dürfen nicht einfach erarbeiteten Wohlstand verteilen, vielmehr müssen wir schon jetzt daran denken, wie wir die Substanz halten und verbessern können. Deshalb ist es elementar wichtig, den Abbau der "kalten Progression" im Steuerrecht voranzubringen. Unser Gesetzentwurf mit dem "Tarif auf Rädern" durch automatische jährliche Anpassung des Lohn- und Einkommensteuertarifs würde die heimlichen Steuererhöhungen beseitigen. Wir müssen auch Steuervereinfachung und Bürokratieabbau erreichen, um dem Mittelstand Impulse zu geben. Deutschland braucht einen wirtschaftlichen Schub und nicht das Verfrühstücken bereits erarbeiteten Wohlstands.

REINHOLD MICHELS FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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