Magdeburg Beim Torten-Parteitag der Linken bleiben Perspektiven aus

Magdeburg · Zwei Personenschützer springen aus dem Wagen, sichern den Hoteleingang, dann öffnet sich die Tür der Limousine. Doch es ist nicht die Bundeskanzlerin, kein Bundesminister und auch kein Ministerpräsident, der zur Übernachtung das Magdeburger Maritim-Hotel gewählt hat. Vorne und hinten eskortiert, betritt die Linken-Politikerin Petra Pau das Atrium. Der Tortenwurf von Magdeburg hat nicht nur die Betroffene, Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht, schockiert. Auch das Bundeskriminalamt, das dafür sorgen soll, dass den Spitzenpolitikern keiner zu nahe kommt, hat die sichtbare Sicherung hochgefahren.

Die Überraschung, selbst als sozialistische Linke vor antifaschistischen Aktivisten nicht sicher zu sein, obwohl man sich gewöhnlich hinter gemeinsamen Protestaufrufen versammelt, hat sich am Folgetag von Mitgefühl für Wagenknecht in Begeisterung verwandelt. Nach ihrer von vielen Linken abgelehnten Äußerung zur Flüchtlingspolitik ("Es können nicht alle nach Deutschland kommen") hätte Wagenknecht die meistkritisierte Figur des Parteitages werden können. Nun ist sie die Meistgefeierte.

Dabei hätte diese Rolle eigentlich den Parteichefs gebührt. Zumal sie, um Stimmung für ihre Wiederwahl zu machen, ordentlich die linke Seele massieren, das "Riesenarschloch" Donald Trump (so Bernd Riexinger) genauso verwünschen, wie die Politik der SPD als "Totalausfall" werten (so Katja Kipping). Nach den drei Wahlschlappen und der Kritik von Ex-Fraktionschef Gregor Gysi an einer "saft- und kraftlosen" Partei bleibt die Abstraf-Aktion bei den Personalentscheidungen zwar aus. Aber Riexingers Zustimmung schrumpft von 89 auf 78 Prozent, Kippings von 77 auf 74.

Ein Problem an diesem Magdeburger Parteitag ist sein Ort. Hier hatten die Linken ihren zweiten Ministerpräsidenten feiern wollen. Stattdessen sackten ihre Stimmenanteile unter die der AfD, verloren sie selbst angestammte Direktwahlkreise an die neue politische Kraft. Das nehmen Gegner eines Regierungskurses als Beleg, dass die Linke damit nur verlieren könne. Auch Wagenknecht nimmt nur in Interviews das Wort "koalitionsfähig" in den Mund, beim Parteitag selbst setzt sie auf klare Kante gegen den Rest der Welt. Sie analysiert als Ursache für den Rechtsruck in Deutschland, in Europa und in den USA die jahrzehntelange Politik des Neoliberalismus, wie er von CDU, CSU, FDP, aber auch von SPD und Grünen betrieben worden sei. Diese Politik habe dazu beigetragen, den gesellschaftlichen Zusammenhalt und den Sozialstaat zu zerstören. "Die Neoliberalen haben da gesät, wo die Rechten ernten", ruft Wagenknecht in den Saal.

Zum Parteitag hat Gysi einen gemeinsamen Kanzlerkandidaten von SPD, Linken und Grünen angeregt. Er will, dass eine andere Politik realistisch wählbar wird, weil sich ein Lager formiert. Doch in Magdeburg gab es keine Kursansage. Nur das Wort "absurd" zu Gysis Vorschlag. So bedauert denn die SPD, dass es zu keinem gemeinsamen Projekt kommt, und präferiert als Möglichkeit die Ampel mit FDP und Grünen, während diese die Bedingungen für schwarz-grüne Perspektiven in den Blick nehmen.

(may-)
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