Davos/Berlin Berlin bietet Putin Freihandelszone an

Davos/Berlin · "Von Wladiwostok bis Lissabon" - das könnte nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel der neue Wirtschaftsraum aus EU und Eurasischer Union sein. Derweil sterben in Donezk weitere Zivilisten.

Die Bundesregierung hat Russland einen gemeinsamen Wirtschaftsraum mit der EU bei einer Lösung des Ukraine-Konflikts in Aussicht gestellt. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte gestern in Florenz, dass Gespräche zwischen der Europäischen Union und der Eurasischen Wirtschaftsunion ehemaliger Sowjetrepubliken möglich seien. Zunächst müsse aber mit der Regierung in Moskau eine Lösung der Krise gefunden werden, sagte Merkel. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ging sogar einen Schritt weiter: "Putins Idee einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok ist denkbar, am besten sogar von New York bis Wladiwostok."

Beide Politiker hatten ihr Angebot bereits am Donnerstag beim Weltwirtschaftsforum in Davos unterbreitet. Die Idee einer Freihandelszone von Wladiwostok am Pazifik bis Lissabon hatte Russlands Präsident Wladimir Putin 2010 vorgebracht. Wegen Bedenken der EU wurde das Projekt aber nicht konkreter. Auch Merkel hatte damals reserviert auf den Vorschlag reagiert. Der Eurasischen Wirtschaftsunion gehören bisher Russland, Weißrussland, Armenien und Kasachstan an; Kirgistan soll noch in diesem Jahr hinzukommen.

Alle diplomatischen Bemühungen um eine Entspannung im Ukraine-Konflikt sind bisher ins Leere gelaufen. Eigentlich gilt seit dem vergangenen Jahr zwischen den prorussischen Separatisten und den Regierungstruppen ein Waffenstillstand. Er wird aber immer wieder gebrochen. Der Westen wirft Putin vor, die Separatisten mit Waffen und Truppen zu unterstützen. Die Führung in Moskau weist dies zurück. Auf leichte Fortschritte bei Verhandlungen in Berlin am Mittwoch folgte schon einen Tag später eine neue Eskalation der Gewalt in der ost-ukrainischen Metropole Donezk. In den Kämpfen zwischen prorussischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen sind bereits mehr als 5000 Menschen getötet worden.

Gestern kündigten die prorussischen Aufständischen eine neue Großoffensive an. Es solle die gesamte Krisenregion erobert werden, gegebenenfalls auch über die Gebietsgrenze von Donezk hinaus, drohte Separatistenführer Alexander Sachartschenko. Die prorussischen Aufständischen erklärten die Friedensvereinbarungen von Minsk für gescheitert. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) kritisierte die Äußerungen als "Kriegstreiberei". An Russland und die Ukraine appellierte er abermals, die Vereinbarungen des jüngsten Ministertreffens in Berlin zum Rückzug schwerer Waffen im Donbass umzusetzen. Auch Merkel betonte: "Wir müssen alles daransetzen, auf diplomatischem Wege voranzukommen. Jeden Tag sterben Menschen."

Gabriel betonte, dass man trotz der verheerenden Lage in der Ost-Ukraine über die Zeit nach dem Konflikt nachdenken müsse. "Europa braucht nicht nur enge Bindungen an die USA, sondern auch nach Russland, wenn wir in dem beginnenden asiatischen Jahrhundert wirtschaftlich und politisch eine Rolle spielen wollen." Nach Überzeugung des Vizekanzlers ist eine "kluge Doppelstrategie" gefragt: Die Sanktionen sollten fortgesetzt werden, bis die Umsetzung des Minsker Abkommens beginne. Gleichzeitig solle das Angebot des Westens an Putin für eine künftige stärkere wirtschaftliche Kooperation mit Europa aufrechterhalten werden.

(RP)
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