Berlin Berlin: Kein Hartz IV für Zuwanderer

Berlin · Die EU hält eine pauschale Verweigerung von Hartz IV für arbeitslose Ausländer für rechtswidrig, will aber keinen allgemeinen Anspruch darauf. CSU und Grüne fordern eine rechtliche Klarstellung.

Berlin: Berlin: Kein Hartz IV für Zuwanderer
Foto: Oliver Berg

Zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission ist ein Streit über Sozialleistungen für Armutszuwanderer entbrannt. Brüssel hält es für unvereinbar mit dem EU-Recht, dass Ausländer in Deutschland in den ersten drei Monaten generell und auch danach von Hartz-IV-Leistungen ausgeschlossen sind, sofern sie nicht aktiv nach Arbeit suchen. Das Bundesarbeitsministerium in Berlin wies diese Sichtweise zurück. Die Sozialgesetzgebung sei nationales Recht, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Sprecher betonen. Zudem warte die Regierung die eigentliche Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes ab.

Die Kommission dementierte Medienberichte, wonach sie Deutschland dränge, arbeitslosen EU-Bürgern im Land Sozialhilfe zu gewähren. Diese Anschuldigung sei "natürlich völlig falsch". Es gebe strikte Schutzvorkehrungen im EU-Recht, um sogenannten Sozialhilfe-Tourismus zu verhindern, betonte eine Sprecherin der Kommission. Allerdings hatte die "Süddeutsche Zeitung" zuvor aus einer Stellungnahme zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof berichtet, wonach aus Kommissionssicht ein pauschaler Ausschluss von Hartz-IV-Leistungen gegen EU-Recht verstoße. Jeder Fall müsse individuell geprüft werden. Dadurch könnten die Chancen wachsen, dass noch mehr deutsche Sozialgerichte Ansprüche von arbeitslosen Ausländern auf Hartz IV anerkennen.

Die Europa-Richter haben sich mit der Klage einer Rumänin zu befassen, die vor drei Jahren nach Leipzig gezogen war und dort keine Arbeit aufgenommen, sondern Hartz IV beantragt hatte. Das Leipziger Sozialgericht will nun vom Europäischen Gerichtshof wissen, ob die gesetzlichen Grundlagen für den ablehnenden Bescheid des örtlichen Jobcenters gegen Europarecht verstoßen. Mit einer Entscheidung des Gerichtes wird erst in etlichen Monaten gerechnet.

"So fördert die EU-Kommission Armutszuwanderung nach Deutschland", kritisierte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Er warnte davor, die nationalen Sicherungssysteme als "Selbstbedienungsladen" anzusehen — für alle Europäer, die nach Deutschland kämen.

Grünen-Chef Cem Özdemir begrüßte die Klarstellung, dass es nicht um ein pauschales Recht auf Sozialhilfe, sondern um die Möglichkeit gehe, verschiedene Fälle einzeln zu bewerten. "Ein sofortiges Anrecht auf Arbeitslosengeld II für alle EU-Bürger, die nach Deutschland kommen, würde aus meiner Sicht die falschen Anreize setzen", sagte Özdemir. Er regte an, über eine bessere EU-weite Regelung zu diskutieren. "Diese politische Frage kann nicht einfach nur den Gerichten überlassen werden", erklärte der Parteivorsitzende.

Ähnlich argumentierte Bayerns Staatskanzleiministerin Christine Haderthauer (CSU): "Die Stellungnahme aus Europa und das Dementi der Kommission zeigen doch nur, dass es dringend nötig ist, endlich Klarheit zu schaffen", sagte sie. Genau das sei das bayerische Anliegen. Freizügigkeit innerhalb der EU dürfe gerade nicht den Tourismus in das Land mit der höchsten Sozialleistung auslösen, sondern solle der arbeitenden Bevölkerung neue Chancen eröffnen.

Keinen Änderungsbedarf sieht NRW-Sozialminister Guntram Schneider. "Ich halte die Regelung der Bundesregierung für ausreichend und habe erst mal keinen Änderungsbedarf auf nationaler Ebene", erklärte der SPD-Politiker. Der soziale Schutz sei in Deutschland gewährleistet. In Berlin befasst sich seit Mittwoch ein Regierungsausschuss mit der Armutsmigration und möglichen Konsequenzen.

(mar, may-, qua)
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