Berlin Berlin und Nizza kämpfen um Normalität

Berlin · Die Attentate haben Erschütterung und tiefe Trauer hinterlassen. Aber weder Einwohner noch Touristen lassen sich einschüchtern.

Ein Selfie als Erinnerung: Mit einem Bissen Bratwurst in der Backe und einem Klecks Senf im Mundwinkel lächelt ein Paar auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Alexanderplatz fröhlich in die Handykamera. Eigentlich eine ganz normale Szene auf einem ganz normalen Weihnachtsmarkt. Hätte es hier am Montagabend nicht diesen Anschlag gegeben, bei dem zwölf Menschen starben und viele, viele verletzt wurden.

Zwei Tage nach dem verheerenden Attentat haben die Weihnachtsmärkte in Berlin gestern ihre Stände wieder geöffnet. Auf dem Breitscheidplatz geht der Betrieb erst ab heute weiter. Die Berliner bemühen sich um Normalität: "Wir lassen uns nicht unterkriegen", sagt Hannelore Girod, die seit den 70er Jahren in Berlin lebt. "Es muss weitergehen wie vorher. Wir müssen stark sein und möglichst positiv mit allem umgehen, was sich hier so tut."

Frank Jokiel, Urberliner und Maronenverkäufer auf einem anderen Weihnachtsmarkt, dem am Alexanderplatz, wirkt fast trotzig: "Die Berliner haben keine Angst und lassen sich nicht einschüchtern", so der 58-Jährige. "Sie sind aber sehr traurig."

Die Trauer der Berliner ist nicht zu übersehen. Vor den Absperrungen der Polizei am Breitscheidplatz, die von Beamten mit Maschinengewehren bewacht werden, haben Menschen Blumen niedergelegt und Kerzen angezündet. Um den Tatort vor Blicken zu schützen, wurden weiße Planen aufgestellt.

Es sind Bilder, die an Nizza erinnern. Auch hier zeigten die Menschen öffentlich ihre Trauer, nachdem ein Attentäter auf der Promenade des Anglais mit einem Lkw durch eine Menschenmenge gefahren war und 86 Menschen getötet hatte. Auch hier wollten sie sich durch das Attentat nicht unterkriegen lassen.

Fernab der Promenade saßen die Menschen wie jeden Tag in Restaurants und Cafés, aßen Pizza und tranken Wein, lachten und genossen die Sonne. Das Leben ging weiter - wie nun in Berlin. Der Bürgermeister von Nizza, Philippe Pradal, hat die Berliner gestern zu ihrem gelassenen Umgang mit dem Terror beglückwünscht. "Man darf diesen Monstern nicht recht geben und muss weiterleben", sagte Pradal unserer Redaktion.

Neben der Erinnerung solle man einander wertschätzen, teilen, lachen, lieben und singen. Das hätten die Berliner, so der Franzose, offenbar genauso beschlossen. Auch wenn es nicht immer einfach sei - dies sei die bestmögliche Antwort auf den Terror. "Ich beglückwünsche die Berliner" , sagt Pradal.

Aber nicht nur die Berliner und die Einwohner Nizzas setzen den perfiden Methoden der Terroristen den ganz normalen Alltag entgegen. Auch die Touristen trotzen dem Terror. In Nizza badeten sie kurze Zeit nach dem Attentat wieder im Meer, in Berlin genießen sie wieder Glühwein und gebrannte Mandeln auf dem Weihnachtsmarkt.

So wie Daniel Newcombe aus Bristol, der am Dienstag, nur einen Tag nach dem Anschlag, in Berlin angekommen war. "Ich habe überlegt, ob ich die Reise absage", sagt der Brite. Schließlich habe er sich aber bewusst dafür entschieden. "Es ist wunderbar hier. Ich habe keine Angst."

Die Autorin war im Juli in Nizza unmittelbar nach dem Attentat.

(sno)
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