Mehrheit an RTL Group Bertelsmann mit neuem Gesellschafter

Gütersloh (dpa). Bertelsmann übernimmt die Mehrheit an Europas führendem Fernseh- und Radiokonzern RTL Group. Die Bertelsmann AG, die die Gruppe bereits unternehmerisch führte, bricht zudem eine Tradition. Erstmals können Anteile des Unternehmens, das mehrheitlich in Familien- und Stiftungsbesitz ist, an die Börse gebracht werden.

Möglich wird das mit dem Einstieg der belgisch-kanadischen Finanzholding GBL, die 25,1 Prozent an der Bertelsmann AG übernimmt. Im Gegenzug erhält der Medienkonzern die Anteilsmehrheit an der RTL Group.

„Wir sind von nun an ein neu aufgestelltes Unternehmen“, sagte Vorstandsvorsitzender Thomas Middelhoff nach der Bekanntgabe der Vereinbarung am Montag. Middelhoff will das Fernsehgeschäft weiter ausbauen.

GBL, die im mehrheitlichen Besitz der Unternehmer Albert Frère (75) und Paul Desmarais (73) ist, erhält im Bertelsmann-Aufsichtsrat zwei Sitze und hat das Recht, die Beteiligung in drei bis vier Jahren an die Börse zu bringen. 0,1 Prozent der Aktien sind ohne Stimmrecht. So wird eine Sperrminorität ausgeschlossen.

Die Bertelsmann AG erhält zusätzlich zu ihren bestehenden 37 Prozent von der Groupe Bruxelles Lambert S.A. (GBL) weitere 30 Prozent der Anteile an der RTL Group. Mit der klaren Mehrheit will Bertelsmann die bisherigen Beteiligungen spürbar ausweiten, kündigte Middelhoff an. „Wir haben uns im TV-Geschäft endgültig durchgesetzt“, sagte er vor Journalisten.

Damit hat der Gründer der Bertelsmann AG, Reinhard Mohn (79), seine bisherige Haltung revidiert, die einen Börsengang des Unternehmens ausschloss. Bertelsmann erhalte unter Beibehaltung der unternehmerischen Eigenständigkeit die Möglichkeit, „sich neuen Entwicklungen anzupassen und auch eigene Aktien als Akquisitionswährung einzusetzen“, hieß es in der Mitteilung.

Die RTL Group ist im April 2000 aus dem Zusammenschluss von CLT- UFA und Pearson TV entstanden. Sie umfasst 22 Fernseh- und 18 Radio- Sender in elf Ländern und ist nach Hollywood weltweit größter Produzent von Fernsehfilmen und Europas führender Vermarkter von Sportrechten. Bertelsmann hält künftig 67 Prozent der Anteile (davon 37 Prozent durch die Allianz zwischen Bertelsmann und WAZ-Gruppe) und Pearson 22 Prozent. Elf Prozent sind im Streubesitz. Um in den Londoner Aktien-Index FTSE-100 aufgenommen zu werden, sollen insgesamt über 15 Prozent an die Börse gebracht werden. Die Anleger honorierten am Montag die Entscheidung über die Neuordnung. Der Aktienkurs der RTL Group stieg um vier Prozent.

Der künftige Kapitalbesitz der Bertelsmann AG sieht nach dem Eintritt des neuen Gesellschafters wie folgt aus: Die Bertelsmann Stiftung hält künftig 57,6 Prozent, die GBL 25,1 und die Familie Mohn 17,3 Prozent. Bereits vereinbart ist, dass die 7,4 Prozent-Anteile der ZEIT-Stiftung bis spätestens 2004 zurückerworben werden. Anfang der 70er Jahre übertrug Reinhard Mohn Anteile an der Bertelsmann AG an den Hamburger Verleger Gerhard Bucerius und konnte so die Mehrheit am Verlag Gruner+Jahr übernehmen. Die Anteile gingen später in die ZEIT-Stiftung über und werden jetzt zurück gekauft.

(RPO Archiv)
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