Ankara Eklat in Ankara

Ankara · Beim Besuch von Außenminister Steinmeier in der Türkei kommt es bei einer Pressekonferenz mit seinem Kollegen Çavusoglu zum Schlagabtausch auf offener Bühne.

Besuch von Frank-Walter Steinmeier in der Türkei: Eklat in Ankara
Foto: ap, BO

Bevor Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein türkischer Amtskollege Mevlüt Çavusoglu die Bühne zur Pressekonferenz betreten, hört man sie laut lachen. Der Empfang des künftigen Bundespräsidenten in der Türkei ist überraschend hochrangig und auf den ersten Blick unerwartet herzlich. Çavusoglu nennt Steinmeier seinen "werten Freund". Die inhaltlichen Kontroversen zwischen Deutschland und der Türkei aber sind so hart, dass sich ein Schlagabtausch auf offener Bühne nicht vermeiden lässt.

Auf die Kritik am Vorgehen seiner Regierung nach dem Putschversuch reagiert Çavusoglu scharf. Er verweist auf die 246 "Märtyrer", die sich den Putschisten entgegengestellt hätten, und spricht von Beweisen gegen die Festgenommenen. Er beklagt sich auch, dass in Deutschland ein "Spion" hochrangig empfangen worden sei. Den Namen des früheren "Cumhuriyet"-Chefredakteurs Can Dündar, der in Berlin einen Termin bei Joachim Gauck hatte, erwähnt Çavusoglu nicht. Er meint ihn aber. So gibt ein Wort das andere, und die Mienen beider frieren immer mehr ein. Entsprechend frostig ist die Stimmung nach der Begegnung.

Bei Antritt der Reise stand noch nicht fest, ob Steinmeier auch Ministerpräsident Binali Yildirim und Präsident Recep Tayyip Erdogan würde treffen können. In den letzten Monaten hatte im deutsch-türkischen Verhältnis Eiszeit geherrscht. Dass die Türken die von den Deutschen gewünschten Zusammenkünfte dann doch ermöglichten, wird wohl an Steinmeiers künftigem Amt liegen. So geht von diesem Besuch des Bundesaußenministers in Ankara die doppelte Botschaft aus, dass Deutschland und die Türkei ihre Beziehungen gerne wieder normalisieren würden, dem aber eine Menge Hürden im Weg stehen. Insbesondere beim Thema Meinungsfreiheit und in der Frage, welche Personen Deutschland als Terroristen an die Türkei ausliefern sollte, treten die Konflikte zutage.

Steinmeier spricht nach seinem Vier-Augen-Treffen mit dem Außenminister von einem "harten, nicht ganz einfachen Gespräch", das aber "offen und ehrlich" gewesen sei. In der Diplomatensprache muss eine solche Formulierung als sehr hohe Eskalationsstufe gewertet werden. Beim Vorwurf der Türken, die Deutschen würden Terroristen Unterschlupf gewähren, vermeidet es der Noch-Außenminister, präsidial zu reagieren: Das sei "nicht nachvollziehbar" und "irritiere" ihn - auch das in der Diplomaten-Sprache ein Superlativ für Ärger und Widerspruch. Er erklärt, dass die kurdische Arbeiterpartei PKK in Deutschland als Terror-Organisation behandelt und Terroristen vom Rechtsstaat verfolgt würden.

Steinmeier verweist auch auf die "Sorgen" der Deutschen über das, was sich nach dem Putsch in der Türkei ereignet hat: Massenverhaftungen sowie eine Beschneidung der Meinungs- und Pressefreiheit. "Das Vorgehen gegen oppositionelle Abgeordnete und die Zivilgesellschaft, Zeitungen, Radio- und Fernsehsender und zahllose Lehrer und Beamte entspricht bei Weitem nicht unseren rechtsstaatlichen Standards. Das habe ich in meinen Gesprächen genauso deutlich herausgestellt wie unsere Bereitschaft, auf der Grundlage unserer europäischen Werte mit der Türkei wieder eng und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten. Dieses Angebot steht", sagt er am Ende seiner Reise.

Auf die Haltung der Türken, dass ein Besuch entweder der Regierung oder Oppositionellen und Zivilgesellschaft gelten solle, lässt er sich nicht ein. Steinmeier trifft Vertreter der Zivilgesellschaft, Journalisten und Juristen. Und vor Erdogan trifft er Abgeordnete der linksgerichteten, prokurdischen HDP. Das Gespräch mit Erdogan dauert zwei Stunden. Aus Regierungskreisen heißt es hinterher, es habe einen "intensiven und konzentrierten" Austausch gegeben. Auch das spricht nicht für Harmonie.

Nach der von den Türken scharf kritisierten Bundestags-Resolution zu den osmanischen Massakern an Armeniern im Ersten Weltkrieg war es Steinmeiers erster Türkeibesuch. Der Außenminister war mit dem Vorsatz angereist, der europäisch-türkischen Eiszeit und insbesondere den deutsch-türkischen Spannungen mit einer Jetzt-erst-recht-Haltung zu begegnen. Er hatte schon vor dem Abflug erklärt, es sei gut, dass Deutschland und die Türkei "endlich nicht mehr nur über Kameras miteinander reden".

Innerhalb der Europäischen Union gehört Steinmeier zu jenen Außenministern, die nicht von sich aus die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei abbrechen wollen. In Ankara setzt er die Botschaft, dass diese Frage die Türken selbst entscheiden müssten. Das kommt bei der türkischen Seite gut an, die ein Referendum über das zukünftige Verhältnis zur Europäischen Union plant. Allerdings könnten die Türken dieser Entscheidung selbst zuvorkommen, wenn sie infolge des gescheiterten Putsches die Todesstrafe wieder einführen sollten. Ein Land, das die Todesstrafe anwendet, kann nicht Mitglied der EU werden, da sind sich die Europäer einig.

Der Konflikt um die Armenien-Resolution immerhin trübt das deutsch-türkische Verhältnis nicht mehr entscheidend. Çavusoglu betont, mit der Erklärung der Bundesregierung, dass aus der Resolution keine rechtlichen Konsequenzen folgten, seien die Beziehungen auf dem Weg, sich zu normalisieren.

(qua)
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