Aleppo "Bis Weihnachten könnte es kein Ost-Aleppo mehr geben"

Aleppo · Der UN-Sondergesandte de Mistura schlägt Alarm.

Die nordsyrische Stadt Aleppo ist ein blutiges Schlachtfeld - insbesondere der hart umkämpfte Ostteil. Der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, warnte nun vor einer völligen Zerstörung Ost-Aleppos. Wenn das Bombardement so weitergehe wie derzeit, dann werde "es zu Weihnachten kein Ost-Aleppo mehr geben", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Er habe den Eindruck, dass die syrische Führung dort eine beschleunigte militärische Entscheidung anstrebe.

Den Regierungstruppen könne es zwar gelingen, die Rebellengebiete in Ost-Aleppo zu übernehmen, "wenn es fast zerstört ist", sagte de Mistura. In diesem Fall drohe aber eine "große Tragödie für die Menschen", und es würde "Zehntausende Flüchtlinge geben, die sich Richtung Türkei bewegen".

Die Lebensmittelvorräte in dem Gebiet gehen derweil immer mehr zur Neige. Viele Grundnahrungsmittel seien entweder sehr teuer oder gar nicht mehr auf den Märkten zu kaufen, sagte gestern die Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Ingy Sedky. Auch die Ölvorräte seien auf einen kritisch niedrigen Stand gesunken, so dass die Menschen dort keinen Strom mehr hätten.

Die Rettungsorganisation Weißhelme erklärte, die Lage werde jeden Tag schlechter. "Die Vorräte an Mehl für die Menschen reichen noch für 15 Tage", sagte Ibrahim al Hadsch von den zivilen Rettungshelfern. "Auch fast alle medizinischen Vorräte gehen zu Ende. Die Menschen sind verzweifelt und besorgt wegen der nächsten Tage."

Regierungstreue Kräfte schneiden Aleppos Osten seit Anfang September von der Außenwelt ab. Sedky erklärte, das IKRK habe diese Gebiete seit April nicht mehr erreichen können. Dort leben noch rund 250.000 Menschen. Angriffe auf Kliniken haben zudem zu einem Kollaps der medizinischen Versorgung geführt.

Sedky rief alle Konfliktparteien auf, Sicherheitsgarantien für Hilfslieferungen zu geben. Die Rebellen haben laut UN im Gegensatz zur Regierung und den russischen Truppen eine Feuerpause zur Versorgung der notleidenden Bevölkerung in Ost-Aleppo zugesichert.

Die heftigen Luftangriffe betreffen nicht nur Aleppo. Beim Bombardement auf ein nordsyrisches Dorf sind nach Angaben oppositioneller Aktivisten gestern mindestens fünf Menschen ums Leben gekommen, darunter Kinder. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte mit, der Angriff auf Takat habe "eine große Zahl" Personen getötet und verletzt. Nach der gleichen Quelle haben russische oder syrische Kampfflugzeuge gestern auch ein Frauen-Krankenhaus in der von Rebellen gehaltenen Provinz Idlib beschossen. Dabei seien drei Menschen in der Nachbarschaft getötet worden. Russland und Syrien wiesen den Bericht zurück.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort