Düsseldorf Blindgänger noch lange gefährlich

Düsseldorf · In Düsseldorf wurde gestern eine Fünf-Zentner-Weltkriegsbombe entschärft. 8000 Menschen wurden evakuiert; das Verkehrschaos war enorm. Wie viele Bomben noch in der Erde stecken, weiß niemand.

Im nördlichen Düsseldorfer Stadtteil Rath ist gestern Nachmittag eine Fünf-Zentner- Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg erfolgreich entschärft worden. 8000 Menschen mussten ihre Wohnungen verlassen; 160 Gehbehinderte und Hilfsbedürftige wurden vom Rettungsdienst in eine Notunterkunft gebracht. 600 Rettungskräfte waren im Einsatz. Kitas, Schulen und Betriebe blieben geschlossen. Der Kampfmittelräumdienst hatte auf der großräumigen Evakuierung bestanden, weil der Blindgänger einen säurehaltigen Langzeitzünder hatte, der aufgrund des Alters hochgefährlich war. Die Autobahnen A 52 und A 44 wurden im Bereich der Fundstelle gesperrt, lange Staus waren die Folge. Auch der Schienen- und der Flugverkehr mussten während der Entschärfung ruhen.

72 Jahre nach Kriegsende leben die Menschen in NRW zum Teil noch immer auf einem Pulverfass. Nach Angaben der Bezirksregierung Düsseldorf wurden im Zweiten Weltkrieg rund 600.000 Tonnen Bomben (einschließlich Brandbomben und sonstiger Munition) über dem Gebiet des heutigen Landes Nordrhein-Westfalen von den alliierten Streitkräften abgeworfen. Allerdings sei dabei zu beachten, dass die Flächen auch mehrmals bombardiert worden seien. Fast die Hälfte der Luftangriffe der Briten und Amerikaner auf deutsches Gebiet zielten auf das industrielle Ballungszentrum im heutigen NRW.

Noch im Jahr 2014 waren allein in NRW 927 Bomben entdeckt und entschärft worden, darunter 264 Blindgänger ab 50 Kilogramm. Hinzu kamen Nebel-, Brand- und Splitterbomben. Im vergangenen Jahr seien es 238 Bomben gewesen, die 50 Kilo und mehr gewogen hätten, teilte das Innenministerium mit. Schätzungen darüber, wie viele Blindgänger, die seinerzeit zumeist wegen technischer Defekte nicht explodiert waren, noch immer unentdeckt im Boden liegen, gebe es nicht, heißt es. Für die Experten steht aber fest, dass noch lange keine Entwarnung gegeben werden kann. "Es ist erschreckend, dass die Gefahr auf unabsehbare Zeit weiterbesteht", kommentiert die Bezirksregierung Arnsberg die Arbeit der Kampfmittelräumdienste. Laut Innenministerium werden die Blindgänger im Laufe der Jahre keineswegs ungefährlicher: "Alter und Korrosionswirkungen können die Gefährlichkeit von Fundmunition sogar noch erhöhen." Deswegen sei bei Munitionsfunden größte Vorsicht geboten. Kommunale Ordnungsbehörden, Polizei oder Feuerwehr müssten sofort benachrichtigt werden. 2014 zahlte das Land rund 35 Millionen Euro, um die Kampfmittel zu beseitigen und die Entsorgungstechnik im Spezialwerk Hünxe zu modernisieren.

Beim Aufspüren von Bomben spielt die Auswertung von Luftbildern der Alliierten eine wichtige Rolle. Den Kampfmittelräumdiensten in NRW stehen inzwischen rund 330.000 dieser Bilder zur Verfügung, die früher in US-amerikanischen und britischen Archiven gelagert waren. Die Bilder zeigen, wo damals schwerpunktmäßig Bomben abgeworfen wurden. Auf sie greifen die Behörden und von ihnen beauftragte Privatunternehmen zurück, wenn bei Neubaumaßnahmen präventiv nach im Boden schlummernden tickenden Zeitbomben gefragt wird. Das ist in NRW etwa 20.000 Mal pro Jahr der Fall.

In NRW gab es immer wieder spektakuläre Bombenfunde. So wurde beim Bau einer Fernwärmeleitung 2015 in Köln eine 20-Zentner-Bombe entdeckt. 20.000 Menschen mussten damals evakuiert werden. Ähnlich viele Menschen waren im Jahr zuvor in Duisburg-Bruckhausen betroffen.

(RP)
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