Brasilia Brasiliens Präsidentin Rousseff abgesetzt

Brasilia · "Tchau, Querida", "Tschüss, meine Liebe", war der Schlachtruf von Dilma Rousseffs Gegnern. Nun muss sie nach einem beispiellosen Politkrimi gehen - aber Frieden wird das größte Land Lateinamerikas nicht finden.

Brasilien: Präsidentin Dilma Rousseff abgesetzt
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Nach einem monatelangen Machtkampf ist Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff des Amtes enthoben worden. Der Senat in Brasilia votierte gestern mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit für die Absetzung der ersten Frau an der Spitze des fünftgrößten Landes der Welt. Insgesamt stimmten 61 Senatoren dafür und 20 dagegen. Nachfolger wird der bisherige Vizepräsident Michel Temer von der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB), der das Land mit einer liberal-konservativen Regierung nun bis zur nächsten Wahl Ende 2018 führen wird.

Rousseff wurden Tricksereien zur Schönung des Defizits und nicht vom Kongress genehmigte Kreditvergaben vorgeworfen - sie wies die Vorwürfe zurück und spricht von einem Putsch. Temers PMDB hatte im März die Koalition platzen lassen, ein Bündnis der PMDB mit Oppositionsparteien brachte die notwendigen Mehrheiten für das umstrittene Impeachment-Verfahren zustande. Im Mai wurde Rousseff zur Prüfung der Vorwürfe suspendiert, in den vergangenen Tagen fand der juristische Prozess im Senat statt. Vor der Abstimmung hatten die Senatoren in einer rund 15-stündigen Sitzung ihre Beweggründe für das Votum erläutert.

Damit steht das Land nach 13 Jahren Regierung unter Führung der linksgerichteten Arbeiterpartei vor einem Richtungswechsel. Die 68 Jahre alte Politikerin hatte seit 2011 regiert und war 2014 von rund 54 Millionen Bürgern wiedergewählt worden. Im Senat verurteilte Rousseffs Verteidiger, der frühere Justizminister José Eduardo Cardozo, das Verfahren scharf. "Wenn Dilma verurteilt wird, bitte ich Gott, dass eines Tages ein neuer Justizminister die Ehre hat, sie um Entschuldigung zu bitten", sagte er.

Viele Senatoren wiesen aber auf Unregelmäßigkeiten hin - zudem seien alle verfassungsgemäßen Schritte korrekt eingehalten worden. Temer kann nun als regulärer Präsident zum G20-Gipfel nach China fliegen. Es wird sein erster Auftritt auf der internationalen Bühne.

Das Land ist in Rousseffs 2011 begonnener Präsidentschaft in eine Rezession gerutscht, 11,8 Millionen Menschen sind arbeitslos. Ein Grund für die Krise ist der Verfall der Rohstoffpreise. Auch lähmten Korruptionsskandale das Land und brachten das 2003 von Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gestartete linke Projekt der Arbeiterpartei in Misskredit. Temer will Brasilien nun mit Privatisierungen und Kürzungen im Staatsapparat aus der Krise führen. Zudem könnten das Renteneintrittsalter heraufgesetzt und Sozialprogramme gekürzt werden. Um das Defizit in den Griff zu bekommen, ist eine Schuldenbremse geplant.

Rousseff hatte am Montag im Senat eine flammende Verteidigungsrede gehalten. Sie sprach von einem politisch motivierten Verfahren: "Ich habe kein Verbrechen begangen." Sie sieht eine "Allianz von Putschisten" am Werk.

(dpa)
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