Neuss Breuer gewinnt sensationell in Neuss

Neuss · In der Quirinus-Stadt geht eine Ära zu Ende: Die SPD stellt mit Reiner Breuer erstmals in der Nachkriegszeit den Bürgermeister. Landrat des Rhein-Kreises bleibt der CDU-Politiker Hans-Jürgen Petrauschke mit über 60 Prozent.

Der Sozialdemokrat Reiner Breuer (46) schafft eine Sensation mit historischer Dimension. Die SPD erobert erstmals das Neusser Rathaus. Bereits im ersten Wahlgang setzte sich gestern der bisherige Landtagsabgeordnete überraschend deutlich mit 54,1 Prozent durch. Sein vielfach als Favorit angesehener CDU-Mitbewerber, der Neusser Schützenpräsident Thomas Nickel (68), blieb bei für ihn enttäuschenden 36,3 Prozent hängen. Welche landespolitische Bedeutung die Sozialdemokraten dem Sieg in Neuss beimessen, belegte Hannelore Kraft. Die Ministerpräsidentin und Chefin der SPD-NRW erschien spontan am Abend noch auf der Wahlparty ihrer Neusser Parteifreunde, um dem Sieger persönlich zu gratulieren. Kraft hatte sich noch am Freitag vier Stunden im Breuer-Wahlkampf in Neuss persönlich engagiert.

Bisher hatte die CDU alle Neusser Bürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg gestellt. Kurz nachdem das Wahldesaster gestern Abend feststand, wurden bereits Rücktrittsforderungen gegen den Neusser CDU-Chef Jörg Geerlings laut. Für den wird Reiner Breuer zum Angstgegner: Bereits im Mai 2012 hatte Geerlings sein Landtagsmandat überraschend gegen den damaligen SPD-Hoffnungsträger verloren. Geerlings hatte angekündigt, 2017 erneut für den Landtag kandidieren zu wollen. Ob es dazu kommt, erscheint nach der Wahlniederlage von gestern zweifelhaft.

Landrat im Rhein-Kreis Neuss bleibt Hans-Jürgen Petrauschke (59, CDU), der sein gutes Ergebnis von 2009 gestern auf 60,1 Prozent noch einmal steigerte. Sein Gegenkandidat, der Grünen-Landtagsabgeordnete Hans Christian Markert (36,1), blieb ohne Chance. In der Stadt Kaarst wurde Ulrike Nienhaus (59, CDU) mit 54,4 Prozent zur neuen Bürgermeisterin gewählt. Sie tritt die Nachfolge von Franz-Josef Moormann an, der seit 1999 amtiert. Nienhaus gewann gegen Christian Gaumitz, der von einem Fünfer-Bündnis (SPD, Grüne, FDP, UWG, Zentrum) unterstützt wurde, aber letztlich mit 45,5 Prozent sein Ziel deutlich verfehlte. In Grevenbroich fällt die Entscheidung, wer bis 2020 Bürgermeister sein wird, erst in zwei Wochen. Für die Stichwahl haben sich gestern Bürgermeisterin Ursula Kwasny (CDU) mit 37,2 und ihr Herausforderer Klaus Krützen (SPD) mit 36,1 Prozent gegen fünf weitere Mitbewerber qualifiziert.

In Bonn und Oberhausen lösten Kandidaten der CDU die SPD-Amtsinhaber ab: So lag der indischstämmige CDU-Kandidat Ashok-Alexander Sridharan in Bonn mit 50,1 Prozent der Stimmen knapp über der absoluten Mehrheit, während in Oberhausen Daniel Schranz (CDU) mit 52 Prozent vor Apostolos Tsalastras (SPD) das Rennen machte. Oberhausen war fast 60 Jahre von SPD-Oberbürgermeistern regiert worden, Bonn 21 Jahre. Mit Sridharan wird zum ersten Mal ein Politiker mit Migrationshintergrund Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt. Die SPD Oberhausen zieht Konsequenzen aus der Wahlschlappe und will demnächst einen neuen Parteivorstand wählen. Michael Groschek (NRW-Verkehrsminister) wird die Partei in Oberhausen dann wohl nicht mehr führen. Er kündigte an, dass sich die SPD neu aufstellen und den gescheiterten Kandidaten Tsalastras in die Parteispitze aufnehmen wird. Der Vorsitzende der NRW-CDU, Armin Laschet, sprach von einer "Sensation", weil auch in Essen der CDU-Kandidat Thomas Kufen mit immerhin 42,5 Prozent vor Amtsinhaber Reinhard Paß (SPD, 33,4 Prozent) lag. Entscheiden wird aber erst die Stichwahl in zwei Wochen. Machtwechsel auch in Leverkusen: Uwe Richrath (SPD) jagte mit 51 Prozent Reinhard Buchhorn (CDU) den Oberbürgermeisterposten ab. In Kevelaer löst Dominik Pichler (SPD) Amtsinhaber Axel Stibi (CDU) ab.

Die Krefelder müssen erneut an die Wahlurne: 45,0 Prozent erreichte Frank Meyer (SPD), 35,2 Prozent Peter Vermeulen (CDU). In Korschenbroich schrammte Marc Venten (CDU mit 49,9 Prozent knapp an der absoluten Mehrheit vorbei und muss in zwei Wochen erneut gegen Albert Richter (SPD, 23 Prozent) antreten. Auch in Grevenbroich wird erst am 27. September Klarheit herrschen, ob Amtsinhaberin Ursula Kwasny (CDU) oder Klaus Krützen (SPD) die Mehrheit bekommt. Nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen in Wuppertal muss Amtsinhaber Peter Jung (CDU) ebenfalls in die Stichwahl. Nach Auszählung aller Stimmbezirke lag er mit 37,5 Prozent knapp vor Andreas Mucke (SPD), der auf 35,6 Prozent kam. In Solingen erreichten weder Frank Fellner (CDU, 36 Prozent) noch Tim Kurzbach (SPD, 43,6 Prozent) die absolute Mehrheit. Markus Lewe (CDU) bleibt Oberbürgermeister in Münster. Der Amtsinhaber setzte sich nach einer Zitterpartie im ersten Wahlgang mit 50,6 Prozent der Stimmen gegen Herausforderer Jochen Köhnke (SPD, 23,8 Prozent) durch. Die Wahlbeteiligung war durchweg außerordentlich niedrig.

(RP)
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