Madrid Brexit hilft Spaniens Konservativen

Madrid · Entgegen allen Umfragen gewinnt die Partei von Premier Rajoy die Wahl - das politische Patt besteht aber weiter.

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy will nach seinem überraschenden Erfolg bei der Neuwahl des Parlaments mit Unterstützung der Sozialisten (PSOE) eine Regierung bilden. "Bei grundsätzlichen Themen benötigen wir die Unterstützung der PSOE", sagte der konservative Regierungschef gestern im Radiosender Cadena Cope. "Ich werde Gespräche mit allen politischen Kräften führen, aber zuerst mit den Sozialisten."

Rajoys Volkspartei (PP) hatte bei der Neuwahl - dem zweiten Urnengang innerhalb von gut einem halben Jahr - ihre Position als stärkste Kraft ausgebaut, die absolute Mehrheit im Parlament aber erneut weit verfehlt. Die Neuwahl war notwendig geworden, weil sich die Parteien nach der Wahl vom 20. Dezember 2015 auf keine Koalition hatten einigen können.

Die Spanier hatten drei Tage nach der spektakulären Brexit-Entscheidung der Briten offenbar auf politische Stabilität gesetzt und Rajoy damit zu einem Erfolg verholfen, der in den Meinungsumfragen nicht erwartet worden war. "Wir haben die Wahl gewonnen. Und wir nehmen für uns das Recht in Anspruch, zu regieren", sagte der Regierungschef noch in der Wahlnacht. Allerdings bleiben die Konservativen auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen. Und es ist offen, welche Bündnispartner Rajoy zur notwendigen Mehrheit verhelfen sollen. Bisher hatte keine andere Partei mit der von vielen Korruptionsskandalen erschütterten PP koalieren wollen.

Vor allem die PSOE lehnte eine große Koalition mit den Konservativen nach deutschem Vorbild bislang strikt ab. Vorstandsmitglied César Luena bekräftigte gestern diese Haltung erneut. Die Sozialisten würden "weder aktiv noch passiv" eine Wiederwahl Rajoys unterstützen, sagte er dem Sender Cadena Ser. Allerdings gibt es bei den Sozialisten neuerdings auch abweichende Stimmen zu hören , die offen ließen, ob sich die Sozialisten entgegen bisherigen Beteuerungen doch noch zu einer großen Koalition mit der konservativen PP durchringen könnten. So orakelte Partei-Chef Pedro Sanchez, die Fraktion im Parlament werde sich in den "Dienst des Allgemeinwohls" stellen. Bislang hatte neben den ideologischen Gräben zwischen Sozialisten und Konservativen vor allem auch die persönliche Abneigung zwischen Rajoy und Sanchez eine Kooperation der beiden Altparteien verhindert. Auch der in der Sozialistischen Partei einflussreiche Präsident der autonomen Region Extremadura, Guillermo Fernandez Vara, machte sich gestern für eine baldige Regierungsbildung unter Führung Rajoys stark: "Das hat uns der Wähler aufgetragen, und das werden wir tun müssen."

Nach dem vorläufigen Endergebnis kam die PP auf 137 der insgesamt 350 Sitze, 14 mehr als bisher. Die Sozialisten (PSOE) erhielten 85 Mandate, fünf weniger als bei der Dezember-Wahl. Sie erzielten ihr schlechtestes Ergebnis in der jüngeren Geschichte, behaupteten sich aber entgegen den Prognosen als zweitstärkste Kraft. PSOE-Parteichef Pedro Sánchez erkannte den Wahlsieg der PP an und gratulierte Rajoy zum Erfolg.

Das Bündnis um die Linkspartei Podemos ("Wir können") blieb mit 71 Sitzen - ebenso viele wie im Dezember - weit hinter den Erwartungen zurück und scheiterte überraschend mit seinem Ziel, die Sozialisten zu überholen. Die liberalen Ciudadanos ("Bürger") kamen nach den Angaben des Innenministeriums auf 32 Sitze, acht weniger als bisher. Die absolute Mehrheit liegt bei 176 Abgeordneten.

Spanien ist seit einem halben Jahr ohne eine gewählte Regierung. Der EU ist daran gelegen, dass die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone möglichst rasch eine stabile Regierung erhält, damit nach der Brexit-Entscheidung nicht zusätzliche Instabilität in einem großen Mitgliedstaat droht. Brüssel hatte Madrid wiederholt aufgefordert, wegen eines überhöhten Defizits den spanischen Staatshaushalt zu korrigieren. Für eine solche Entscheidung bräuchte Spanien jedoch eine starke Regierung.

(dpa/rtr)
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