Meerbusch Briten in Nordrhein-Westfalen hoffen auf die Queen

Meerbusch · Wenn es zu einem EU-Austritt Großbritanniens kommt, ist unklar, welche Rechte hier lebende britische Staatsbürger noch haben.

Seit 27 Jahren lebt Keith Sunderland in Deutschland - vor Kurzem lediglich mit einem britischen Pass. Jetzt hat der Familienvater einen Einbürgerungstest gemacht und bestanden. "Der Auslöser war der Brexit", sagt Sunderland. Denn es ist unklar, welche Rechte dem in Deutschland lebenden britischen Staatsangehörigen blieben, wenn es zu einem Austritt aus der EU käme.

In einigen Städten NRWs steigt die Zahl der Anfragen von britischen Bürgern nach einer Einbürgerung derzeit, zum Beispiel in Köln, der größten Stadt Nordrhein-Westfalens. "Es gibt viele formale Gründe, die dafür sprechen, sich in letzter Minute einbürgern zu lassen", sagt eine Sprecherin der Stadt. Dafür müssen die Personen unter anderem acht Jahre in Deutschland gelebt haben. Für EU-Bürger gilt nach deutschem Recht zusätzlich eine Ausnahmeregelung: Sie dürfen eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen. "Im Falle eines Brexit müssten britische Staatsangehörige, die die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben wollen, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgeben", teilt das Bundesinnenministerium auf Anfrage unserer Redaktion mit.

Für Sunderland unvorstellbar. "Es ist mir wichtig, beide Pässe zu behalten", sagt der 57-Jährige. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Meerbusch, pendelt aber regelmäßig zu seiner Familie nach England. Die Angst davor, nicht mehr ohne Weiteres auf die Insel fahren zu können, sei groß. "Ich möchte kein extra Reisevisum beantragen müssen." Auf die Frage, ob er sich eher als Deutscher oder Engländer fühle, sagt er: "Ich bin Europäer." Bereits im Februar habe er über die Konsequenzen nachgedacht, die im Falle des Brexit auf ihn zukommen könnten, und sich für die Einbürgerung entschieden. Sunderland fürchtet auch, dass sich der Austritt negativ auf seine Rente auswirken könnte: Denn aktuell würde die Arbeitszeit, die er in England absolviert hat, eingerechnet werden. Nach einem Austritt vermutlich nicht mehr. Über die aktuelle Debatte ist Sunderland bestürzt. "Ich bin traurig und frustriert." Durch den drohenden Ausstieg werde die EU in ein schlechtes Licht gerückt. Die Stimmung sei sogar innerhalb seiner Familie gespalten. Derzeit versuche er, die Angehörigen, die dem Brexit positiv gegenüberstehen, umzustimmen: "Die Debatten sind sehr polemisch, es wird viel Unwahres verbreitet."

Auch Fraser Gartshore setzt auf die Vernunft der Menschen. Der Berufsmusiker ist gebürtiger Schotte und lebt seit 16 Jahren in Deutschland. Und als solcher hofft er wie die Mehrheit seiner schottischen Landsleute, dass die Briten gegen den Brexit stimmen. "Eigentlich habe ich bisher versucht, das Thema zu ignorieren", sagt der 43-Jährige. Jetzt wird es langsam ernst. Denn ein Brexit hätte auch für ihn persönlich Folgen. Er lebt und arbeitet hier bislang mit einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für EU-Bürger. Deswegen möchte er noch schnell die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, solange Großbritannien noch in der EU ist.

Der Musiker ist in der Nähe von Edinburgh aufgewachsen und kam der Liebe wegen nach Deutschland. Bei der Einbürgerung macht er sich nur Gedanken darüber, wie er seine Sprachkenntnisse nachweisen soll. Natürlich spricht er fließend Deutsch, doch ein Zertifikat, das sein Sprachniveau bestätigt, hat er nicht. "Mein Deutsch ist mittlerweile besser als mein Englisch", sagt er und lacht. Gartshore denkt, dass die Schotten im Falle eines Brexit erneut über ihre Zugehörigkeit zu Großbritannien abstimmen werden. Denn die Schotten sind in der Mehrheit pro-europäisch. Gartshore hofft, dass morgen "genügend vernünftige Menschen" wählen gehen.

Oder dass die Queen sich heute doch noch zum Ausgang des Referendums äußert und den Briten davon abrät, aus der EU auszutreten.

(RP)
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