Schlangen vor den Schaltern Bulgarien fürchtet Panik nach Angriff auf Banken

Sofia · In Bulgarien schlagen Regierung und Zentralbank Alarm wegen eines mutmaßlichen Angriffs auf das Bankensystem. "In den vergangenen Tagen hat es Versuche gegeben, den Staat durch eine organisierte Attacke auf bulgarische Banken ohne Grund zu destabilisieren", erklärte die Zentralbank des Landes am Freitag.

 Vor den Filialen der Fibank bilden sich Schlangen.

Vor den Filialen der Fibank bilden sich Schlangen.

Foto: ap

Sie rief alle staatlichen Institutionen dazu auf, die Stabilität der Finanzwirtschaft zu schützen. Es seien "böswillige Gerüchte" über die Lage von Geldhäusern in Umlauf gebracht worden. Die First Investment Bank (FIBank) erklärte, sie sei Opfer eines beispiellosen kriminellen Angriffs geworden. In der Folge hätten Kunden der drittgrößten Bank des Landes innerhalb weniger Stunden umgerechnet mehr als 400 Millionen Euro abgehoben.

Die Regierung des EU-Staates befürchtet nun einen Ansturm auf die Banken. Ministerpräsident Plamen Orescharski zeigte sich entschlossen, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um die Situation unter Kontrolle zu bringen. "Wir werden alle Anstrengungen der Zentralbank unterstützen", machte er deutlich. "Ich sehe keinen Grund zur Sorge für die Bürger." Nach Angaben von Innenminister Tswetlin Jowtschew sollte die Bevölkerung über das Internet und wahllos verschickte SMS-Nachrichten in Unruhe versetzt werden. Dazu seien am Donnerstag Ermittlungen aufgenommen worden. Über die Hintergründe wurde zunächst nichts bekannt.

Die Chefs der wichtigsten Parteien erklärten, sie stünden hinter den Maßnahmen der Zentralbank und anderer Behörden, um das Finanzsystem zu stützen. Zugleich verständigten sich die Spitzenpolitiker auf vorgezogene Parlamentswahlen, die am 5. Oktober stattfinden sollen. Die Opposition forderte die Regierung auf, Hilfen beim Internationalen Währungsfonds zu beantragen.

In der Hauptstadt Sofia bildeten sich in einigen Bankfilialen Schlangen von bis zu 65 Kunden vor den Schaltern.
Betroffen war unter anderem die FIBank. "Mir wurde mitgeteilt, dass ich hierher kommen und mein Geld abheben soll", sagte eine Frau. "Ich hoffe, dass sie uns nicht die Tür vor der Nase schließen." Die FIBank-Filialen wurden aus "logistischen Gründen" am frühen Freitagnachmittag geschlossen und sollten erst am Montag wieder geöffnet werden. Bankgeschäfte im Internet und Auszahlungen an Geldautomaten seien aber weiter möglich, sagte ein Sprecher. Die FIBank sei Opfer von Gerüchten und böswilligen Erklärungen in der Öffentlichkeit geworden, hieß es in einer Erklärung des Unternehmens.

Vergangene Woche hatten Medienberichte über angeblich zweifelhafte Geschäfte des viertgrößten bulgarischen Geldhauses Corporate Commercial Bank (Corpbank) zu Kontoauflösungen geführt. Die Zentralbank sah sich gezwungen, die Kontrolle über die Corpbank zu übernehmen. An der Börse fürchteten Investoren, dass auch andere Institute in den Strudel hineingezogen werden und trennten sich nun wie bereits am Donnerstag in Scharen von Bank-Aktien. Der Kurs der FIBank-Papiere brach etwa um rund ein Viertel ein.

Die Entwicklung weckt Erinnerungen an den Zusammenbruch des Bankensektors in Bulgarien in den 1990er-Jahren, als 14 Institute Pleite gingen. Sie setzt ferner Orescharskis Minderheitsregierung zusätzlich unter Druck, die bereits mit einer schwachen Konjunktur und einem Rückgang der Investitionen aus dem Ausland zu kämpfen hat. Wegen der anhaltenden politischen Probleme hatte die Rating-Agentur Standard & Poor's die Bonitätsnote des Landes unlängst herabgestuft. Die Bewertung liegt nun nur noch eine Stufe vom gefürchteten Ramsch-Status entfernt.

(rtr)
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