Die Bundeswehr soll wieder wachsen Kujat mahnt weitere Verstärkungen an

Berlin · Die Verteidigungsministerin erklärt das Schrumpfen der Truppe für beendet und sieht einen Mehrbedarf von 19.000 Beschäftigten. Experten wie Ex-Generalinspekteur Harald Kujat loben den "Schritt mit Augenmaß", die Opposition hält ihn für utopisch.

 Bis 2023 sollen bei der Bundeswehr 11400 Dienstposten besetzt werden.

Bis 2023 sollen bei der Bundeswehr 11400 Dienstposten besetzt werden.

Foto: dpa, odietze cul ade fdt

Nach einem Vierteljahrhundert permanenter Verkleinerung will Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) die Bundeswehr wieder vergrößern. Noch ausstehende Einsparungen hat sie gestoppt, ausscheidende Soldaten bereits gefragt, ob sie freiwillig länger bleiben wollen, und bis 2023 sollen 7000 Dienstposten im militärischen und 4400 im zivilen Bereich zusätzlich geschaffen und besetzt werden.

"Es ist Zeit für die Bundeswehr, wieder zu wachsen", sagte die Ministerin in Berlin angesichts einer Fülle neuer Aufgaben und Aufträge von Mali über den Irak und Syrien bis hin zur Ägäis. Sie wolle nun "weg von starren Obergrenzen" und "hin zu einem atmenden Personalkörper", erläuterte die Ministerin. Dazu soll - wie beim "Rüstungsboard" für die ständig erneuerte Materialplanung - ein jährliches "Personalboard" den aktuellen Bedarf an Soldaten und Zivilbeschäftigten jeweils neu ermitteln und herausfinden, auf welchen Wegen die Truppe dem am besten Rechnung tragen kann.

Der frühere Generalinspekteur Harald Kujat, der die Politik von der Leyens in der Vergangenheit wiederholt kritisiert hatte, hat vom neuen Personalkonzept einen "sehr positiven Eindruck". Dies sei ein "Schritt mit Augenmaß", sagte der Militärexperte unserer Redaktion. "Was Frau von der Leyen da macht, hat Hand und Fuß", so Kujat. Allerdings dürfe das eigentliche Ziel darüber nicht aus den Augen verloren werden, einen direkten Zusammenhang zwischen den politischen Aufgaben der Bundeswehr, ihren militärischen Fähigkeiten und den bereitgestellten Haushaltsmitteln herzustellen.

"Wir müssen beim Personal auf einen Umfang von 200.000 Soldatinnen und Soldaten kommen", betonte Kujat. Derzeit besteht die Truppe auf dem Papier aus 185.000 Militärs. Die Zahl der Zeit- und Berufssoldaten will das Ministerium bis zum Jahresende um 2700 erhöhen, um die Lücke gegenüber der Zielvorgabe von 170.000 zu füllen. Aus dem eigenen Bestand sollen 5000 Posten optimiert werden. Darunter sind 3500 freiwillig Dienstleistende, die bisher auf "flexiblen" Posten eingesetzt waren und häufig über den fehlenden Sinn ihrer Arbeit klagten.

Sanitätsbereich chronisch unterbesetzt

Rund 10.000 weitere Soldaten stehen der Truppe faktisch nicht zur Verfügung, weil sie in Berufsförderangeboten stecken, in denen sie für die Zeit nach der Bundeswehr fit gemacht werden. Das Ministerium hat bereits damit begonnen, allen Soldaten anzubieten, den Berufsförderungsdienst auch nach ihrer eigentlichen Dienstzeit zu absolvieren. Dem Vernehmen nach wird die längere Verpflichtung lebhafter angenommen als vermutet. Während die nötige Aufstockung der Zahl der Zivilbeschäftigten nach Einschätzung des Ministeriums bequem aus dem Reservoir der Bewerbungen gedeckt werden kann, rechnet die Bundeswehr im militärischen Teil für 2023 weiter mit einer Lücke von 2300 Soldatinnen und Soldaten.

Die Verstärkungen gelten vor allem dem chronisch unterbesetzten Sanitätsbereich, und neben vielen anderen Bereichen sollen auch die Spezialkräfte von Heer und Marine aufgestockt werden. Auf die Dauer würden Menschen mit Migrationshintergrund zu einem immer wichtigeren Thema für die Bundeswehr werden, hieß es in Ministeriumskreisen. Schon jetzt betrage der Anteil 14,5 Prozent.

Die Linke verurteilte die geplante Personalaufstockung als "Teil eines umfassenden Aufrüstungsprogramms". Das Problem liege nicht in der Größe der Armee, sondern in ihrer "grundlegend falschen Ausrichtung", sagte Linken-Verteidigungsexpertin Christina Buchholz. Die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger kritisierte, dass von der Leyen nun auch den letzten Teil der Bundeswehrreform zertrümmert habe, um "Platz für ihre eigene Profilierungsshow" zu schaffen. Das Scheitern ihrer "realitätsfernen Personalaufstockung" sei programmiert.

(may-)
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