Familienfreundliche Bundeswehr Ist Ursula von der Leyen auf dem richtigen Weg?

Düsseldorf · Kinderbetreuung in Kasernen, Teilzeitarbeit für Soldaten – Ursula von der Leyen schlägt als Verteidigungsministerin neue Töne an. Zur strategischen Ausrichtung sagt sie dagegen nichts.

Dezember 2013: Von der Leyen in Afghanistan
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Kinderbetreuung in Kasernen, Teilzeitarbeit für Soldaten — Ursula von der Leyen schlägt als Verteidigungsministerin neue Töne an. Zur strategischen Ausrichtung sagt sie dagegen nichts.

Ehrgeiziger geht es kaum: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (55) will die deutschen Streitkräfte zum familienfreundlichen Unternehmen umbauen. "Mein Ziel ist es, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen", lautete ein Schlüsselsatz der CDU-Politikerin in einem Interview in "Bild am Sonntag" am Wochenende. "Karriere bei der Bundeswehr darf im Regelfall nicht bedeuten: immer im Dienst und alle paar Jahre ein Umzug."

Mit der Forderung nach geregelten Dienstzeiten grenzte sich von der Leyen deutlich von ihrem Vorgänger Thomas de Maizière ab, der Soldaten "immer im Dienst" sieht: Dort der preußisch-disziplinierte und strenge oberste Diener seiner Soldaten, hier die fürsorgliche Mutter der Kompanie. Es sei nun einmal nicht das Ziel der laufenden Neuausrichtung, die Zufriedenheit der Soldaten zu erhöhen, sondern den Auftrag der Bundeswehr zu erfüllen, hatte de Maizière bei seinem Abschied angeprangert und seinem Frust schon vorher mehrfach Luft gemacht: Die Truppe giere zu sehr nach Anerkennung, sie solle klaglos ihre Aufträge ausführen, lautete ein früherer Vorwurf de Maizières — ein deutlicher Hinweis auf Spannungen zwischen politischer Führung und Truppe und auf den allgemeinen Zustand der Bundeswehr, die am Wochenende eine Pendlerarmee ist. Der Fall eines Stabsfeldwebels, der dienstlich von Bayern nach Rheinland-Pfalz wechselte und jetzt nach Brandenburg kommandiert wird, während seine Tochter vor dem Abitur steht, ist kein Einzelfall.

"Würden Sie Ihren Kindern raten, zur Bundeswehr zu gehen?" lautete eine Frage an von der Leyen, was die Ministerin tapfer bejahte — wohlwissend, dass der Deutsche Bundeswehr-Verband 2012 eine besorgniserregende Umfrage vorgelegt hatte. Demnach hat jeder zweite Kommandeur, Kompaniechef oder Kompaniefeldwebel erwogen, vorzeitig aus der Bundeswehr auszuscheiden; zwei von drei Führungskräfte in den Streitkräften würden ihren Kindern vom Eintritt ins Militär abraten.

Ursula von der Leyen - EU-Kommissionschefin und siebenfache Mutter
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Das ist Ursula von der Leyen

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Foto: AP/Efrem Lukatsky

Der Vorstoß von der Leyens ist als reine Fürsorgemaßnahme mutmaßlich fehlinterpretiert. Es gibt gute Gründe für einen Kurswechsel: Wer will denn heute, nach Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht, noch unter die Soldaten? Ein Militärdienst darf nicht aus Mangel an Alternativen oder bloßer Abenteuerlust attraktiv sein, dann würden möglicherweise die falschen Soldaten Deutschland bei Auslandseinsätzen repräsentieren. Foltervorwürfe wie jüngst bei den britischen Streitkräften im Irak machen deutlich, welche Probleme reine Berufsarmeen haben können. Die Bundesrepublik will keine Söldner. Doch mag die Bewerberlage zurzeit noch ausreichend sein — angesichts geburtenschwacher Jahrgänge wird der Wettbewerb mit der Wirtschaft um qualifizierte Kräfte immer heftiger werden. Frauen interessieren sich — der Sanitätsdienst ist die große Ausnahme — zudem selten für das Militär. Zurzeit ist nur etwa jeder zehnte deutsche Soldat weiblich.

Geht es also um die Zufriedenheit von Soldaten und Angehörigen, wird die Vereinbarkeit von Dienst und Familie notwendig. Hier setzt von der Leyen an und spricht sich für eine Drei- oder Viertagewoche für Eltern in Uniform aus. Auch Soldaten hätten ein Anspruch auf ein glückliches Familienleben. Teilzeit und Elternzeit sollen deshalb nach den Plänen der Ministerin leichter genutzt werden können, die flexible Kinderbetreuung müsse ausgebaut werden, Versetzungen sollten auf ein Mindestmaß beschränkt werden.

Da mögen kernige Kämpfertypen einen "unsoldatischen Schmusekurs" erkennen. Doch Ursula von der Leyen ist bewusst, dass man die Realitäten nicht verleugnen darf: Ein Hauptgrund, warum etliche freiwillig Längerdienende vorzeitig ihren Dienst quittierten, war das zu frühe Wecken. Und junge Fallschirmjäger kritisierten bei einem befohlenen Standortwechsel nach Stadtallendorf vor allem, dass es nahe der hessischen Kaserne kein McDonald's-Schnellrestaurant gab und auch sonst das Freizeitangebot dürftig war.

Die Bundeswehr ist nach den leidvollen Erfahrungen zweier Weltkriege stets eine Armee gewesen, die in erster Linie demokratietauglich zu sein hatte. Erst danach kam die Kampffähigkeit. Das führt bis heute zu Fehlentwicklungen: Die Luftwaffe kann nicht fliegen, weil die Flugplatzfeuerwehr ihre Dienststunden überschreitet, ein Tanker darf Kriegsschiffe nicht ins Einsatzgebiet begleiten, weil die Besatzung ihre vorgeschriebenen Ruhezeiten dann nicht mehr einhalten würde. Seltsam muten auch manche Klagen von Soldaten über zu spartanische Bedingungen in Einsatzgebieten an. Doch Errungenschaften wie der mündige "Staatsbürger in Uniform" und der Schutz der Menschenwürde auch hinter Kasernenzäunen wird niemand zugunsten einer in jeder Lage funktionierenden "Kampfmaschine Bundeswehr" aufs Spiel setzen wollen.

Von der Leyens Vorstoß ist übrigens keineswegs völliges Neuland für die Truppe: Unter der Überschrift "Waffen und Windeln" war Oberfeldwebel Annika Konitzer (28) zum Jahresende 2011 der Star auf der offiziellen Bundeswehr-Homepage geworden, weil die Sanitätssoldatin ihre zweijährige Tochter mit zum Dienst in die Ahlener Westfalen-Kaserne nehmen durfte. Doch diese Kombination von Wehrdienst und Familie steckt noch in den Anfängen.

Experten vermissten bei dem Interview konkrete Aussagen zur Rüstungspolitik und internationalen Ausrichtung der Bundeswehr. Doch die Ministerin ist politisch zu erfahren, um zu früh zu antworten. Sie weiß, dass sie viele Probleme zu lösen hat: Nicht zuletzt die Finanzierung der Streitkräfte muss solide sein. Zudem knirscht es im Umgang mit den Alliierten, die sich bei ihren Einsätzen künftig deutlich mehr deutsche Unterstützung erhoffen.

(spol)
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