Berlin Bundeswehr lieferte Daten für "Tötungsliste" in Afghanistan

Berlin · Deutsche wollten Verdächtige angeblich nur "festsetzen", ein Geheimpapier erwähnt jedoch auch den Einsatz "tödlicher Gewalt".

Wie weit durften Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst (BND) an der Erstellung von "Tötungslisten" in Afghanistan mitwirken? An Listen, nach denen andere Streitkräfte Anhänger der Taliban und weitere Verdächtige gezielt vernichten sollten? Nach dem Auftauchen geheimer Dokumente hat das Verteidigungsministerium bestätigt, dass Aufklärungsergebnisse deutscher Kräfte zur Auswahl "potenzieller militärischer Ziele und zu deren Identifizierung" beigetragen hätten. Es sei bei der deutschen Mitwirkung aber ausschließlich darum gegangen, die Verdächtigen festzusetzen - und nicht darum, sie zu töten.

Nach einem der "Bild"-Zeitung vorliegenden Geheimpapier des BND ist jedoch ausdrücklich auch von der "Verwendung zum Zwecke des Einsatzes tödlicher Gewalt" die Rede. Dieser sei darauf beschränkt, dass durch den Verdächtigen ein Angriff erfolge oder unmittelbar drohe.

Aus Unterlagen des ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden geht nach Angaben des "Spiegel" hervor, dass auf der zeitweise 750 Personen umfassenden Liste sogar Drogenhändler standen, die verdächtigt wurden, die Taliban zu unterstützen. Der jeweilige Regionalbefehlshaber soll entschieden haben, wer auf die Liste komme. Das war zur fraglichen Zeit der deutsche General Markus Kneip. Der Chef der internationalen Truppen in Kabul sollte demnach sogar entscheiden, ob die Tötung eines Gesuchten auch die Tötung von Zivilisten als "Kollateralschaden" rechtfertige. Ex-General Egon Ramms bestätigte, dass Deutschland an der Zielerfassung für die "Tötungsliste" mitwirkte, nachdem die Regierung die Situation 2010 als Krieg eingestuft hatte.

Die frühere Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sprach von einem "schmutzigen Krieg". Das gezielte Töten möglicher Verdächtiger ohne Angriffshandlung sei durch Kriegsrecht nicht gedeckt, insbesondere bei nicht Kämpfenden wie Drogendealern. Zwar seien die Deutschen offenbar zurückhaltender vorgegangen, doch die Zuarbeit werfe gleichwohl rechtliche Fragen auf, die "mit Blick auf künftige Kampfeinsätze unbedingt geklärt werden sollten". Nach Auskunft des Generalbundesanwaltes liegen bislang "keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine in die Zuständigkeit der Bundesjustiz fallende Straftat" vor.

(may-)
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