Vor Spitzentreffen CDU und CSU haben sich beim Thema Obergrenze verhakt

Berlin · Vor dem Treffen der Unionsspitzen am Sonntag im Kanzleramt ist eine Einigung über die Obergrenze immer noch in weiter Ferne.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer.

Foto: dpa, rhi gfh

Wer hätte das gedacht. Ausgerechnet der Wirtschaftsrat der CDU malt ein schönes Bild von einer kunterbunten Jamaika-Koalition und spricht den völlig verschiedenen Unterhändlern Mut für die Verhandlungen zu.

"Auch beim Thema qualifizierter Fachkräftezuwanderung gibt es mehr Einendes als Trennendes zwischen Union, FDP und Grünen", sagt der Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, unserer Redaktion. Und damit es vor allem die eigenen Leute verstehen: "Gerade in den Unternehmen gibt es die große Hoffnung, dass eine Jamaika-Koalition die Kraft hat, den Wirtschaftsstandort Deutschland fit für die Zukunft zu machen." Die Angst vor Neuwahlen in der Union ist groß.

Doch noch geht es überhaupt nicht um Schwarz-Gelb-Grün, sondern zuallererst um Schwarz-Schwarz. Denn bevor es zu Sondierungsgesprächen mit FDP und Grünen kommt, sondieren an diesem Sonntag CDU und CSU. Dass sie das nötig haben, spricht für ihre brenzlige Lage. Denn Sondierungsgespräche werden eigentlich nur mit dem politischen Gegner geführt.

Aber die vom CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer versprochene Obergrenze für Flüchtlinge und das von Bundeskanzlerin Angela Merkel garantierte Nein zeugen genau davon: politischer Feindschaft. Zwei Jahre haben die beiden Parteivorsitzenden auf ihren Positionen beharrt. Jetzt kommt es zum Schwur.

Die Protagonisten von CDU und CSU zerbrechen sich seit Tagen den Kopf, wie sie eine Lösung hinbekommen. Erfolgreiche Ideen gelten als preisverdächtig. Denn der Obergrenzen-Streit geht wie ein Riss durch die Union - zwischen CDU und CSU sowie jeweils durch die beiden Parteien.

Bayerische Obergrenzen-Verfechter wollen die CDU nun auf das Bundesvertriebenengesetz hinweisen und damit einen Beleg liefern, dass es schon ein Vorbild für die Obergrenze gebe. Mit dem Gesetz wurde geregelt, dass für jedes Kalenderjahr nur so viele Aufnahmebescheide erteilt werden dürfen, "dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahr 1998 verteilten Personen nicht überschreitet".

Nach Einschätzung von Juristen hinkt dieser Vergleich. Denn bei Spätaussiedlern mit ihrem Bezug zu Deutschland handle es sich um eine privilegierte Gruppe, die keine politische Verfolgung nachweisen muss, heißt es in Regierungskreisen.

Weder Merkel noch Seehofer können ohne Gesichtsverlust ihre Positionen aufgeben. Die rechtspopulistische Alternative für Deutschland kann sich schon die Hände reiben. Entweder wird sie Merkel oder Seehofer der Lüge bezichtigen. Oder Handlungsunfähigkeit beklagen, wenn die Union nicht bald die Gespräche mit den beiden Kleinen aufnimmt.

Es gibt viele drängende Probleme: Rente, Pflege, Mieten, Europa. Alles Themen, die CDU und CSU auch besprechen wollen. Merkel will aber sowieso erst nach der Landtagswahl in Niedersachsen am 15. Oktober Gespräche mit Liberalen und Grünen führen. Viele verstehen aber nicht, was eine Landtagswahl mit Koalitionsverhandlungen im Bund zu tun hat.

Aber noch eine andere Landtagswahl ist entscheidend: die in Bayern. Die ist zwar erst in einem Jahr. Aber Seehofer fürchtet jetzt schon um die absolute Mehrheit der CSU. Deswegen ist offen, ob es am Sonntag zu einer Einigung der Unionsspitzen kommt.

Wirtschaftspolitiker Steiger beschwört: "Wir appellieren an die Spitzen von CDU und CSU, sich bei den strittigen Fragen zu einigen und mit einer gemeinsamen Linie in die Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition zu treten." Für die Unternehmen seien stabile politische Verhältnisse wichtig. Und schon bittend: "Bei all den unterschiedlichen Positionen von Union, FDP und Grünen etwa in Energiefragen und beim Klimaschutz gibt es doch einige gemeinsame Ideen, auf die sich eine Jamaika-Koalition einigen können sollte."

Seehofer sagt, er fahre mit Zuversicht nach Berlin, wenngleich die Gespräche schwierig würden. Aber wenn man gut vorankomme, "werden wir ganz vernünftige Gespräche zunächst mit der FDP und dann mit den Grünen führen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Begleitet wird Seehofer freilich von dem deutlichen Zuruf des CSU-Granden Peter Gauweiler in der "Süddeutschen Zeitung": "Horst, es ist Zeit" - gemeint ist: für einen Rücktritt vom Parteivorsitz.

"Vom Papier passen CSU und Grüne sowieso nicht zusammen", sagt ein Schwarzer. Es klingt ein Hoffen durch, dass die Grünen die Gespräche platzen ließen - so wie es angeblich Grünen-Politiker Jürgen Trittin 2013 getan hat. Eine Minderheitsregierung will aber niemand in der Union, auch keine Neuwahl. In der CSU setzen manche noch auf eine große Koalition. Hier sei das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die SPD und weite Teile der CDU sehen das anders.

(RP)
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