CDU-Vize Julia Klöckner im Interview "Wir haben ein hohes Interesse an einer stabilen Regierung"

Berlin · Die CDU-Vize-Chefin Julia Klöckner wird als neue Landwirtschaftsministerin gehandelt. Im Interview mit unserer Redaktion erklärt sie, warum die CDU aus ihrer Sicht kein inhaltsleerer Kanzlerin-Wahlverein ist, fordert aber dennoch ein Profilschärfung ihrer Partei.

 Julia Klöckner am Ende der Koalitionsverhandlungen in Berlin.

Julia Klöckner am Ende der Koalitionsverhandlungen in Berlin.

Foto: dpa, bvj kno

Frau Klöckner, haben Sie sich schon ein paar neue Gummistiefel gekauft?

Klöckner Warum sollte ich das? Ich habe ein Paar gute daheim.

Wenn Sie Landwirtschaftsministerin werden, können Sie die für die Begehung von Kuhställen gebrauchen.

Klöckner Ich mache mein Schuhwerk nicht von Personalspekulationen abhängig.

Sind Sie bereit für den Wechsel nach Berlin?

Klöckner Wenn ich die Frage beantworte, lasse ich mich auf Personalspekulationen ein, und das mache ich nicht.

Wird die Kanzlerin ihre Zusage einhalten, dass die Hälfte der Ministerposten mit Frauen besetzt wird?

Klöckner Ich rede der Kanzlerin in ihre Personalplanung nicht rein.

Wird die SPD in Zukunft ein schwierigerer Koalitionspartner werden, als dies bisher der Fall war?

Klöckner Diese Regierungsbildung war wohl eine der schwierigsten in der Geschichte der Bundesrepublik. Aber ich habe die Sozialdemokraten bei den Verhandlungen sehr ernsthaft und sehr detailgetreu erlebt. Ich gehe davon aus, dass alle Beteiligten eine stabile Regierung führen wollen.

Das heißt, wenn die Regierung zustande kommt, wird sie auch vier Jahre halten?

Klöckner Ich bin keine Prophetin. Aber wir möchten den Bürgerinnen und Bürgern nicht zumuten, den ganzen Prozess in kurzer Zeit zu wiederholen. Man stellt sich am besten gegen die Polarisierung in einer Gesellschaft, indem man über die Probleme nicht redet, sondern sie löst. Um sie lösen zu können, muss man regieren.

Welchen Plan B hat die CDU, wenn die SPD Nein zum Koalitionsvertrag sagt?

Klöckner Wir sind ins Gelingen verliebt. Das heißt, dass wir von einer Zustimmung ausgehen. Ansonsten fehlt einem die Kraft zur Verwirklichung des besten Wegs.

Ob der Koalitionsvertrag angenommen wird, hängt ja nicht von Ihrer Kraft ab...

Klöckner Wir legen aber keinen Plan B vor, weil wir nicht Schwarzmalen wollen, während die SPD-Mitglieder noch abstimmen. Wir haben ein hohes Interesse an einer stabilen Regierung, weil es uns ums Land geht. Sollte die SPD nicht wollen, dann hat der Bundespräsident wieder das Wort.

Wäre eine Minderheitsregierung denkbar?

Klöckner Ich gehe nicht von einer Minderheitsregierung aus. Wir sind gerade in der Phase, einen ausgehandelten Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen und dann in die Bildung einer Mehrheitsregierung zu gehen. Ich beschäftige mich mit dem Naheliegenden.

Gegen die CDU wird immer wieder der Vorwurf erhoben, dass sie nur noch ein inhaltsleerer Kanzlerin-Wahlverein sei . . .

Klöckner Das ist eine steile These politischer Mitbewerber, die in Umfragen weit hinter uns liegen. Wir sind mit Abstand die stärkste Partei in Deutschland. Die Bürgerinnen und Bürger, die uns gewählt haben, haben sich nicht von einem inhaltslosen Verein blenden lassen. Die haben uns wegen unseres Wahlprogramms gewählt, indem wir sehr konkret Verbesserungen versprechen, die jetzt auch im Koalitionsvertrag stehen. Zum Beispiel, dass wir ein Baukindergeld einführen, dass wir das Kindergeld erhöhen, dass wir viel mehr in den Straßenbau und die digitale Infrastruktur stecken werden. 15.000 zusätzliche Polizisten, 2000 zusätzliche Stellen in der Justiz. Klare Anforderungen und Regeln bei Migration und Integration. Das ist alles andere als inhaltslos, und ich könnte noch lange weitere Inhalte aufzählen.

Gemeint ist mit der Kritik das Fehlen von Identifikationsthemen. Was erwarten Sie von Ihrer künftigen Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer?

Klöckner Annegret Kramp-Karrenbauer ist eine tolle Frau, eine gestandene Persönlichkeit. Sie wird einige noch sehr positiv überraschen. Sie kann Wahlen gewinnen und hat eine klare Haltung. Ich bin mir sicher, dass sie mit einem neuen Grundsatzprogramm CDU pur in den Mittelpunkt stellt.

Was muss man sich unter CDU pur vorstellen?

Klöckner Es wird um die grundsätzlichen Fragen gehen: Was macht das christliche Menschenbild in einer Zeit des Wandels aus. Die Herausforderung ist, trotz der Kompromisse, die wir in einer Koalition eingehen müssen, das eigene Profil zu schärfen und herauszustellen.

Mit welchen Themen?

Klöckner Wir brauchen einen neuen Ansatz in der Frauenpolitik. Der CDU geht es nicht darum, eine geschlechtergerechte Sprache bis ins letzte Komma umzusetzen und möglichst viele Gender-Sternchen zu setzen. Da gibt es mit Blick auf die Integration viel fundamentalere Probleme. Wir müssen Migrantinnen zu ihrem Recht auf Teilhabe in der Gesellschaft verhelfen. Der Integrationserfolg hängt entscheidend von der Rolle der Frau ab. Man kann nicht von kultureller Vielfalt sprechen, wenn Frauen nicht teilhaben können. Es kann auch nicht mit der Religion begründet werden, wenn Frauen von Männern vorgeschrieben bekommen, wie sie sich zu kleiden haben. Das können wir nicht tolerieren. Für zugewanderte Männer bedeutet dies, dass sie die hier geltenden Regeln des Umgangs von Frau und Mann akzeptieren und leben müssen.

Trauen Sie es Kramp-Karrenbauer zu, dass sie die Kanzlerin eines Tages beerben könnte?

Klöckner Lassen Sie uns erst einmal die Kanzlerin wählen. Bei uns in Rheinland-Pfalz sagt man: Man isst eine Kartoffel nach der anderen. Sonst verschluckt man sich schnell.

Was verstehen Sie darunter, die CDU wieder breiter aufzustellen?

Klöckner Wir müssen wieder die Flügel der Partei in Personen sichtbar machen. Die CDU war immer eine Volkspartei mit Flügeln. Wir haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wenn man nur einen Flügel hat, kommt man nicht hoch, sondern kreist nur um sich selbst. Deshalb ist es wichtig, dass die einzelnen Gruppierungen nicht nur gute Papiere schreiben, sondern dass ihre Inhalte auch von Köpfen prominent vertreten werden. Der Grundsatzprogrammprozess soll das wieder hervorbringen.

Welches Thema sehen Sie als zentral für die CDU in der großen Koalition an

Klöckner Ein sehr wichtiges Thema ist in der Flüchtlingspolitik die Einrichtung von Aufnahme-, Bearbeitungs- und Rückführungszentren. Ich bin dankbar, dass die Bundespartei und der Koalitionspartner diese Idee aus dem rheinland-pfälzischen Wahlkampf nun aufgenommen haben. Dabei wird es sehr wichtig sein, dass wir die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit der Kommunen nicht überfordern und dass wir auf den Frust der Bürger reagieren. Der Staat muss stark genug sein, geltendes Recht konsequent anzuwenden.

Es gibt eine Debatte darüber, den §219a abzuschaffen, der ein Werbeverbot für Abtreibungen vorsieht, das von Gerichten auch eng ausgelegt wird. Wie stehen Sie dazu?

Klöckner Nach einer sehr intensiven Debatte haben wir einen gesellschaftlichen Konsens zur rechtlichen Regelung von Abtreibungen erreicht. Wir tun gut daran, diesen Kompromiss nicht aufs Spiel zu setzen. Ich bin gegen eine Lockerung. Es geht darum, schwangeren Frauen, die mit sich ringen, zu helfen und das Leben des Ungeborenen zu schützen. Die jetzige Regelung berücksichtigt auch die Konfliktlagen der betroffenen Frauen. Sie werden in einem geschützten Raum beraten. In diesem Rahmen können sie auch Informationen zur Abtreibung erhalten - ohne wirtschaftliche Interessen.

Mit Julia Klöckner sprach Eva Quadbeck.

(qua)
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