Washington Amerika streitet über Guantanamo-Folter

Washington · Republikaner und Demokraten ringen um die Freigabe eines CIA-Untersuchungsberichts. Es geht um 20 Folter-Fälle.

John Kerry hat kalte Füße bekommen, buchstäblich in letzter Minute. Mit der Vorsicht eines verbalen Slalomläufers meldet er Bedenken an gegen die Veröffentlichung einer Bilanz jener Folterpraktiken, mit denen die CIA in der Ära George W. Bush Terrorverdächtige zum Reden bringen wollte. Es passiere gerade sehr viel in der Welt, man müsse an Amerikas Offensive gegen den "Islamischen Staat" denken und Proteste in der islamischen Welt einkalkulieren, ließ der Außenminister wissen. Die hochverehrte Senatorin Dianne Feinstein wäre gut beraten, wenn sie dies alles berücksichtige und die Freigabe verschiebe.

Nichtsdestotrotz soll der Bericht des Senats laut Weißem Haus heute veröffentlicht werden. Die US-Regierung unterstütze den Schritt, sagte gestern der Sprecher von US-Präsident Barack Obama.

Dianne Feinstein, eine 81-jährige Demokratin aus Kalifornien, ist die treibende Kraft hinter dem Versuch, Licht ins Dunkel zu bringen. Sechs Jahre lang sichtete ihr Mitarbeiterstab vertrauliche Akten, um herauszufinden, welcher Methoden sich die CIA in ihren (Geheim-)Gefängnissen - zumeist in Osteuropa, aber auch in Guantanamo - bediente und was sie damit erreichte. Schlafentzug, extrakleine Zellen, simuliertes Ertrinken, besser bekannt als Waterboarding: Es geht um 20 Fälle, in denen Geheimdienstler 2002 und 2003 unter der Rubrik "verschärftes Verhör" zu brutalen, inhumanen Mitteln griffen.

In keinem Fall, sagt Feinstein, habe man Häftlingen tatsächlich Informationen abgerungen, die man ohne Folter nicht bekommen hätte. Auch zur Lösung des Puzzles, das die CIA zusammensetzte, um das Versteck Osama Bin Ladens im pakistanischen Abbottabad aufzuspüren, hätten die Quälereien praktisch nichts beigetragen.

Es ist das erste Mal, dass ein parlamentarisches Gremium das finstere Kapitel für jedermann nachlesbar zusammenfasst. Was der von Feinstein geleitete Geheimdienstausschuss des Senats diese Woche freigeben will, ist allerdings nur die Kurzvariante, etwa 480 von 6200 detaillierten Berichtsseiten. Und auch das geschieht nur mit Einschränkungen. Auf Drängen des Weißen Hauses müssen sämtliche Textstellen, die die Identität eines CIA-Agenten preisgeben könnten, mit schwarzen Balken überdeckt werden. Während die Kalifornierin an Stelle der Klarnamen zumindest Pseudonyme einsetzen wollte, ist Barack Obama der Meinung, dass schon ein Pseudonym zu viel verrät. So vehement er als Kandidat in der Aufbruchsstimmung des Jahres 2008 Aufklärung versprach, als Präsident stellt er sich eher hinter den CIA-Direktor John Brennan, seinen früheren Antiterrorberater, der Schaden für seinen Dienst fürchtet und während des knallharten Pokers mit Feinstein sogar seinen Rücktritt angedroht haben soll.

Was vorab an knappen Passagen durchsickerte, ist brisant genug, um den Streit um die Exzesse der Ära Bush wieder anzufachen. Erstens, resümiert der Report, sei die CIA routinemäßig über das hinausgegangen, was ihr legal gestattet war. Zweitens sei das Foltern "nicht effektiv" gewesen, um Informationen zu gewinnen. Drittens hätten die Geheimen sowohl das Kabinett als auch das Parlament systematisch belogen, indem sie die Wirkung des Programms übertrieben, nur um es fortsetzen zu können.

"Jeder, der den Bericht liest, wird so etwas nie wieder zulassen", hofft Feinstein und spricht von einer hässlichen Phase, in der sich Amerika mit seinen Grundwerten nicht wiedererkannte. Ganz anders Bush, der sich kaum noch zu Wort meldet, seit er das Oval Office gegen ein ruhiges Rentnerleben in Dallas eintauschte, aber in diesem Fall beschlossen hat, sein Schweigen zu brechen. "Das sind Patrioten", sagte er in einem CNN-Interview über die beteiligten Schlapphüte, "das sind wirklich gute Leute, und wir als Nation sollten uns glücklich schätzen, dass wir sie haben". Noch polemischer formuliert es José A. Rodriguez, in der Geheimdienstzentrale in Langley einst zuständig für die "verschärften Verhöre".

Nach den Anschlägen am 11. September 2001 hätten sowohl Demokraten als auch Republikaner die CIA aufgefordert, alles zu tun, um weitere Attacken zu verhindern, schreibt Rodriguez in der "Washington Post". Nahezu einstimmig hätten sie dafür plädiert, alles zu tun, um Al-Qaida zu schwächen. "Aber je erfolgreicher wir waren, desto weniger konnten sich einige Volksvertreter daran erinnern, wie sie uns einst unterstützt hatten."

Es war Rodriguez, der 2005 entschied, 92 Videos mit Folterverhören auf eigene Faust zu vernichten. Als Kongressabgeordnete Wind davon bekamen, beschlossen sie, der Sache auf den Grund zu gehen. Anfangs kooperierten führende Republikaner noch mit den Demokraten, zumal sie selber auf Distanz zum unpopulär gewordenen George W. Bush gehen wollten. Kurz nach Obamas erstem Wahlsieg kündigten sie die Zusammenarbeit auf, so dass Feinstein ans Werk gehen musste.

(RP)
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