Washington Comey: Trump hat die Fakten verdreht

Washington · Der entlassene FBI-Chef fährt in seiner Anhörung schwere Geschütze gegen den US-Präsidenten auf - der gibt sich kämpferisch.

Es dauert keine zwei Minuten, bis James Comey die Katze aus dem Sack lässt und Donald Trump einen Lügner nennt. Er wisse sehr wohl, hatte er zu Beginn seiner Anhörung im Geheimdienstausschuss des Senats gesagt, dass ein FBI-Direktor jederzeit vom Präsidenten gefeuert werden könne, aus welchen Gründen auch immer, manchmal auch ohne jeden Grund. Doch was Trump an Argumenten anführte, nachdem er ihm im Mai den Stuhl vor die Tür gesetzt habe, das habe ihn erst verwirrt und dann zusehends beunruhigt. Dass der Präsident das FBI als eine Behörde im Chaos beschrieb, als eine miserabel gemanagte Organisation, das seien Lügen, "schlicht und einfach Lügen".

Das Weiße Haus habe damals beschlossen, ihn zu diffamieren und die Fakten zu verdrehen, sagt Comey. Trump habe gelogen, als er behauptete, die Agenten des FBI hätten jedes Vertrauen in ihren Direktor verloren. Weshalb er, Comey, an dieser Stelle eines erklären wolle: "Das FBI ist ehrlich, das FBI ist stark, das FBI ist unabhängig und wird es für immer bleiben." Es klingt wie die Kampfansage eines Mannes, der überhaupt nicht daran denkt, klein beizugeben. So geschliffen der 56 Jahre alte Jurist sonst zu formulieren versteht, im Saal 216 des Hart Building redet er Klartext.

Praktisch alle großen Fernsehkanäle Amerikas übertragen live. Manche Kneipen in Washington öffnen früher als sonst, damit die Leute die Anhörung live an den Bildschirmen verfolgen können. Die Anhörung Comeys, sie ist ein Spektakel, das es so nicht mehr gegeben hat, seit Bill Clinton nach der Affäre mit der Praktikantin Monica Lewinsky im Kongress aussagen musste. Was der geschasste FBI-Chef sagen würde, war in groben Umrissen bekannt, hatte er doch bereits in einer tags zuvor veröffentlichten Erklärung dargelegt, wie viel Unbehagen ihm die verkappten Drohungen Trumps bereiteten. Dreimal - zweimal im Januar und einmal im Februar - hat Trump unter vier Augen mit Comey geredet. Schon die Häufigkeit ist ungewöhnlich, und wie der geschasste Chef der Bundespolizei die Substanz der Gespräche beschreibt, wirft eine zentrale Frage auf: Hat der Präsident versucht, die Justiz zu behindern? Mit anderen Worten, wandelt er auf den Spuren Richard Nixons, der 1974 auf dem Höhepunkt des Watergate-Skandals zurücktreten musste, nachdem man ihm Behinderung der Justiz nachgewiesen hatte?

Episode für Episode schildert Comey, er habe die Treffen mit dem früheren Bauunternehmer als unangenehm und unangemessen empfunden. Schon nach dem ersten, am 6. Januar im New Yorker Trump-Tower, fertigte er unmittelbar Notizen an. Noch im Auto schrieb er auf, was sich zugetragen hatte. Damit tat er etwas, was nicht seiner Gewohnheit entsprach. Gespräche mit Barack Obama zu protokollieren, zwei Gespräche innerhalb von drei Jahren, so etwas wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, sagt Comey. Ähnlich habe es sich mit George W. Bush verhalten, unter dem er stellvertretender Justizminister war. Bei Trump sei das anders gewesen. Warum? Es habe am Charakter des Mannes gelegen, antwortet er auf die Frage Mark Warners, des ranghöchsten Demokraten im Geheimdienstkomitee. "Ich musste wirklich annehmen, dass er lügen würde über das Treffen."

Drei Wochen später, am 27. Januar, der Präsident war inzwischen vereidigt, forderte ihn Trump bei einem privaten Abendessen auf, ihm seine Loyalität zuzusichern ("Ich brauche Loyalität, ich erwarte Loyalität"). Offenbar habe er ein Abhängigkeitsverhältnis schaffen wollen, interpretiert es Comey. In Trumps Kalkül sollte er offenbar wiederholt darum bitten, im Amt bleiben zu dürfen, so dass man es an Bedingungen knüpfen konnte. "Mein gesunder Menschenverstand sagte mir: Er will etwas dafür haben, dass er meiner Bitte nachkommt." Trump, macht Comey deutlich, habe kein Verständnis für die Unabhängigkeit des FBI erkennen lassen, die sie von einem gewöhnlichen Kabinettsposten unterscheidet. Es sei ja kein Zufall, dass ein FBI-Direktor für zehn Jahre ernannt werde. Genau das solle ja garantieren, dass er nicht nur einem Präsidenten diene, "so dass er nicht das Gefühl hat, einer Person gegenüber zu politischer Loyalität verpflichtet zu sein".

Schließlich erzählt Comey, wie Trump ihn bat, die Ermittlungen gegen Michael Flynn, eine zentrale Figur der "Russland-Connection", fallen zu lassen. Am 14. Februar war das, einen Tag nach der Entlassung des Nationalen Sicherheitsberaters. Flynn sei ein guter Kerl, sagte Trump, "Ich hoffe, Sie sehen einen Weg, das fallen zu lassen, von Flynn abzulassen". Er, Comey, habe lediglich erwidert, dass Flynn ein guter Kerl sei. Wieso er das Ansinnen, Ermittlungen abzuwürgen, nicht entschiedener zurückgewiesen habe, will die Senatorin Dianne Feinstein wissen. Nun, er sei dermaßen überrascht gewesen, dass er sich das alles nur angehört habe, erwidert Comey. Gäbe es eine nächste Gelegenheit, würde er es sicher besser machen.

Kurz nach der Anhörung meldet sich Trumps Anwalt Marc Kasowitz: Der Präsident habe nie verlangt, irgendeine Untersuchung einzustellen. Und was Comey angehe, so könnte demnächst gegen ihn ermittelt werden - wegen der Weitergabe vertraulicher Informationen an die Medien. Und Sarah Huckabee Sanders, Sprecherin des Weißen Hauses, erklärt: "Ich kann definitiv sagen, dass der Präsident kein Lügner ist". Trump selbst sagt bei einer Rede vor Mitgliedern der christlichen Faith and Freedom Coalition in Washington, die parallel zu Comeys Anhörung stattfindet, er sehe sich als Opfer anhaltender Angriffe von außen. Er und seine Anhänger befänden sich in einem "Belagerungszustand". Er wolle sich aber nicht unterkriegen lassen. "Wir werden kämpfen und gewinnen."

(RP)
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