Gestaltung der Sterbehilfe Darf der Arzt beim Suizid helfen?

Berlin · Die Anträge zur künftigen Gestaltung der Sterbehilfe liegen nun auf dem Tisch. Ganz bewusst befasst sich der Bundestag zuvor aber mit einer besseren Palliativversorgung. Sozial- und Patientenverbänden reichen die Pläne nicht aus.

Systematisch geht der Bundestag daran, neue Regeln für die letzte Lebensphase des Menschen aufzustellen. Zeitgleich mit dem Start der Beratungen über eine verbesserte Palliativversorgung in Deutschland stellten Koalitionsabgeordnete gestern einen weiteren Antrag zur Sterbehilfe vor. Danach sollen Ärzte künftig sterbenskranken Menschen beim Suizid helfen dürfen, ohne eine Bestrafung oder Probleme mit ihrer ärztlichen Zulassung befürchten zu müssen. "Ans Sterbebett gehören Angehörige und Ärzte, und nicht die Staatsanwälte", sagte einer der sechs Initiatoren, Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU).

Damit liegen nun alle vier Anträge auf dem Tisch, hinter denen sich jeweils andere Gruppen von Abgeordneten über die Parteigrenzen hinweg versammeln. Während Hintzes Gruppe die Erlaubnisse definieren und damit Rechtsklarheit schaffen will, zieht es eine Gruppe um Rechtsausschuss-Chefin Renate Künast (Grüne) vor, Rechtssicherheit für Sterbehilfevereine zu schaffen und bei assistiertem Suizid die Anwesenheit eines Arztes vorzuschreiben. Ein komplettes Sterbehilfeverbot verlangt ein Kreis um den CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg. Die meisten Befürworter hat derzeit ein Entwurf, mit dem Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) die derzeitige Rechtslage beibehalten, allerdings geschäftsmäßigen Sterbehelfern das Handwerk legen wollen.

Der am Hintze-Antrag beteiligte Arzt Karl Lauterbach (SPD) nannte die drei anderen Entwürfe eine "Überreaktion" auf einen einzigen Sterbehilfeverein. Schon jetzt riskierten Mediziner in zehn von 17 Ärztekammern ihre Approbation. Sollte auch noch das Strafrecht dazu kommen, würde kein einziger Arzt in Deutschland mehr Hilfe beim Suizid leisten. Die weniger liberalen Ansätze würden nach Meinung des SPD-Rechtsexperten Burkhard Lischka die Verzweifelten "auf die Hochhäuser und in die Schweiz" treiben. Im November will der Bundestag sich mit den Anträgen auseinandersetzen.

Ganz bewusst stellt der Bundestag der Sterbehilfe die Beratung über eine bessere medizinische und pflegerische Versorgung Sterbender voran. Das Palliativgesetz, das Mehrausgaben der Krankenkassen zwischen 400 und 600 Millionen Euro vorsieht, wurde gestern in den Bundestag eingebracht. Die Neuregelungen zielen auf die Arbeit stationärer Hospize und ambulanter Hospizdienste. Zusätzliches Geld soll auch in die Arbeit spezialisierter Palliativteams fließen. Damit will das Parlament signalisieren, dass niemand allein gelassen und unter Schmerzen sterben muss.

Aus Sicht der Sozial- und Patientenverbände geht das Palliativgesetz aber nicht weit genug. "Die Hilfe, die Menschen in einem Hospiz bekommen, müssen auch Pflegeheim-Bewohner erhalten", sagt Eugen Brysch, Vorsitzender der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Er kritisiert, dass die Pflegebedürftigen in Heimen keine Verbesserung erhielten. Wollte man den jährlich 200 000 sterbenden Heimbewohnern die gleiche Hilfe zukommen lassen wie Hospiz-Bewohnern, würde dies zusätzlich 700 Millionen Euro kosten, meint Brysch. Aber es ließen sich auch Kosten sparen: Ein Drittel aller sterbenden Heimbewohner würden in eine Klinik eingeliefert werden, weil die Heime sich mit ihrer Versorgung überfordert fühlten. Diese Zahl könne durch eine bessere Hospiz-Versorgung deutlich gesenkt werden.

(may-, qua)
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