Strenge Vorschriften Das Asylrecht unserer Nachbarn

Die meisten Flüchtlinge zieht es nach Deutschland. Das liegt auch an den harten Bestimmungen anderer Staaten.

Strenge Vorschriften: Das Asylrecht unserer Nachbarn
Foto: Ferl

Es ist die Zahl 476.615, die Deutschland derzeit über allen schweben lässt. 476.615 - so viele Flüchtlinge beantragten 2015 hierzulande Asyl. Es ist ein Rekord. Kein anderes Land kommt auch nur annähernd an diese absolute Zahl heran, dabei betrifft die Flüchtlingskrise alle - nur unterschiedlich stark. So mancher Staat hat zudem einen einschüchternden Wall errichtet, bestehend aus strikten Abschieberegeln oder unwürdigen Flüchtlingsunterkünften. Ein Blick auf die Besonderheiten in unseren Nachbarländern.

Polen Die meisten Flüchtlinge, die 2015 in Polen eintrafen, stammen aus der ehemaligen Sowjetunion, vor allem aus Tschetschenien oder der Ost-Ukraine. Für Syrer, die Hauptflüchtlingsgruppe, ist Polen meist nur ein Transitland. Legal arbeiten dürfen die Flüchtlinge nur, wenn ihr Asylantrag bewilligt wurde. Die Bevölkerung sieht von den Migranten allerdings wenig, denn die Aufnahmezentren liegen abgelegen in ehemaligen Kasernen oder Arbeiter-Erholungsheimen. Trotzdem löste eine von der EU vorgeschlagene Quote zur Verteilung der Flüchtlinge noch im vergangenen Sommer großen Unmut im Land aus: In einer im Juli veröffentlichten Umfrage gaben 70 Prozent der Befragten an, sie wollten keine Flüchtlinge aus muslimischen oder afrikanischen Ländern in Polen.

Tschechien Das Land ist unbeliebt, zumindest bei Flüchtlingen. Nur 1380 stellten bis Dezember vergangenen Jahres der europäischen Statistikbehörde Eurostat zufolge einen Asylantrag. Tschechien selbst hat großen Anteil an den niedrigen Zahlen. Denn die Regierung in Prag betreibt eine wirksame Abschreckungspolitik: Flüchtlinge werden nach ihrer Einreise in eines der vier großen Aufnahmezentren im Land gebracht. Die dortigen Zustände beschreiben Menschenrechtsorganisationen regelmäßig als kritisch. Flüchtlinge würden teilweise in Handschellen in ihre Unterkunft gebracht und nicht besser behandelt als Häftlinge. Auch die Mitte-links-Regierung von Ministerpräsident Bohuslav Sobotka hatte im September gegen die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen innerhalb der EU gestimmt. Tschechien bevorzuge freiwillige Lösungen, hieß es.

Österreich In unserer Nachbarschaft ist Österreich gemessen an der Einwohnerzahl das begehrteste Zielland für Flüchtlinge. Die Alpenrepublik kämpft spätestens seit vergangenem Sommer mit großen Problemen bei der Unterbringung der Asylbewerber. Die Regierung setzt daher auf Massenabschiebungen. Bis 2019 will Österreich mindestens 50.000 Flüchtlinge per Schnellverfahren zurück in deren Heimat bringen. Im vergangenen November brachte die Regierung das neue "Asyl auf Zeit" auf den Weg. Demnach wird Asylbewerbern nur noch für eine Frist von drei Jahren Asyl gewährt. Danach soll geprüft werden, ob die Schutzgründe weiter bestehen. Für das Jahr 2016 plant Österreich mit nur noch 37.500 Asylerstanträgen. Die Flüchtlingsproblematik begünstigt vor allem die rechte Partei FPÖ. Sie schwimmt durch ihre ausländerfeindlichen Parolen in manchen Teilen Österreichs auf einer Popularitätswelle.

Schweiz Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel lobte die Schweizer Methoden in der Flüchtlingspolitik. Aus Sicht der Flüchtlinge ist die Schweiz ein hartes Pflaster: Asylanträge von Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten werden in einem Schnellverfahren beurteilt. Die entsprechenden Dokumente zu erstellen, Fingerabdrücken zu nehmen und medizinische Gutachten anzufertigen, dauert maximal drei Monate. Der Entscheid fällt dann binnen 48 Stunden. Asylsuchende sind zudem verpflichtet, bei der Einreise persönliche Vermögenswerte von mehr als 1000 Franken (908 Euro) abzugeben - zur Finanzierung des Asylgesuchs. Umgekehrt sollen finanzielle Anreize nicht asylberechtigte Flüchtlinge noch am Flughafen dazu bewegen, direkt wieder umzudrehen. Im Oktober vergangenen Jahres gewann in der Schweiz die rechtsnationale SVP die Nationalratswahlen mit fast 30 Prozent. Ihr Programm zielt auf eine Verschärfung des Asylrechts ab. So soll am 28. Februar ein Volksentscheid darüber stattfinden, ob die Schweiz ein Sonderstrafrecht für Ausländer einführt. Wer straffällig wird und keinen Schweizer Pass besitzt, soll automatisch abgeschoben werden, auch bei Bagatelldelikten.

Frankreich Obwohl es die französische Regierung gerne anders darstellt, ist der Druck durch die Flüchtlingszahlen eher gering. 2015 beantragten lediglich knapp 80.000 Menschen Asyl in Frankreich. Trotzdem wird aktuell in beiden Kammern des Parlaments eifrig über eine neue gesetzliche Grundlage für Abschiebungen diskutiert. Frankreich geriet zuletzt eher als Transitland in die Schlagzeilen. So stürmten im Oktober mehr als 100 Flüchtlinge den Eurotunnel - in der Hoffnung, so nach Großbritannien zu gelangen. Mindestens 13 Menschen kamen dabei ums Leben.

Luxemburg Zwar ist auch Luxemburg von der Flüchtlingskrise betroffen, doch das kleine Land kommt mit den derzeitigen Zahlen gut zurecht. 2065 Asylanträge wurden bis Dezember 2015 in Luxemburg gestellt. Integrationsministerin Corinne Cahen sagte nun Anfang Februar, es gebe keine Engpässe bei der Unterbringung. 4000 Betten stünden bereit.

Belgien Im April 2015 kamen noch rund 1000 Flüchtlinge nach Belgien. Im August waren es schon 5000. Die Zahlen stiegen wie in anderen Ländern stetig. Doch die Schar der Neuankömmlinge traf die belgische Bürokratie besonders hart. In Belgien ist jeder Asylantragsteller verpflichtet, sich in der Einwanderungsbehörde zu melden. Es gibt jedoch nur einen Hauptschalter für das ganze Land. Die Termine für die Anhörungen verlaufen nach dem Windhundprinzip: Die Letzten in der Schlange haben oftmals das Nachsehen und finden sich am Abend auf der Straße wieder. Tausende Flüchtlinge belagerten deshalb im Herbst den Maximilianpark im Herzen Brüssels. Der Park liegt nur wenige Meter von der Einwanderungsbehörde entfernt.

Niederlande Zusammen mit der Schweiz gilt das Asylsystem der Niederlande als eines der strengsten im Schengen-Raum. Mehr als zwei von drei Asylgesuchen werden abgelehnt. In den Niederlanden gibt es, anders als in Deutschland, keine Duldung von Flüchtlingen, wenn deren Asylanträge abgelehnt wurden. Die Betroffenen müssen das Land binnen 28 Tagen verlassen. Bleiben sie länger, gelten sie als "Illegale" und erhalten nur noch eine Minimalversorgung. Als "Illegale" dürfen Flüchtlinge noch für eine Woche im Land bleiben. In dieser Zeit können sie in Schlafsälen übernachten und bekommen Frühstück. Wer selbst danach nicht zur Rückkehr bereit ist, verliert jedwede Unterstützung.

Dänemark Die dänische Regierung verabschiedete Mitte Januar ein neues Asylgesetz. Danach kann die Polizei Asylbewerbern Wertgegenstände abnehmen, damit sie ihren Aufenthalt mitbestreiten können. Außerdem müssen manche Flüchtlinge länger auf Familienzusammenführung warten. Obwohl ein ähnlicher Erlass in der Schweiz bereits seit Jahren Anwendung findet, schlug der dänische Vorstoß in der internationalen Presse hohe Wellen. So kritisierte etwa die "New York Times" den Entwurf scharf.

(jaco)
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